"Zwischen uns war Krieg"

■ Gespräch mit Winfried Bonengel, dessen Film "Beruf Neonazi" zur Zeit von der Staatsanwaltschaft des Berliner Landgerichts als Belastungsmaterial gegen den Neonazi Bela Ewald Althans verwendet wird

taz: Herr Bonenegel, wie die taz vorgestern meldete, dient Ihr Film „Beruf Neonazi“ inzwischen dem Berliner Landgericht als Belastungsmaterial. Was halten Sie davon?

Bonengel: Ich habe nichts dagegen; schon während der Dreharbeiten habe ich mir so etwas gewünscht. Das war keine sehr schöne Situation. Zwischen uns war Krieg. Es macht ja keinen Spaß, mit jemand wie ihm so lange zu arbeiten. Ich habe den Film gemacht, weil Althans eine Grenze überschritten hat, hinter der es anfängt, unmenschlich zu werden. Deshalb habe ich mir in manchen Momenten, wo er sich auch so zum Medienfachmann aufspielt, gewünscht, ganz instinktiv: „Das kriegst du wieder.“ Ich war mir da sogar ziemlich gewiß. Der Film belastet ihn ja nicht mit irgend etwas an den Haaren herbeigezogenem, sondern was er da sagt, denkt er wirklich. Althans stand vorher schon einmal in München wegen der selben Delikte vor Gericht. Nur damals hat man ihm nichts nachweisen können, denn er ist sehr geschickt in Kreuzverhören. Ich wollte diese Vorsicht durchbrechen. Das war mit traditionellen Mitteln, mit Frage-Antwort-Spielen einfach nicht zu haben. Man mußte ihn von diesem ganzen Themenkreis ablenken, um mehr zu erfahren. Deshalb macht er hier Äußerungen, die er sonst nicht gemacht hätte; es gibt Momente im Film, wo er gar nicht merkt, daß gedreht wird und wo dann vor allem Gesichtsreaktionen kommen, die ihm halt unterlaufen, zum Beispiel in Auschwitz. Das Material hätte noch viel entlarvender sein können, wenn man auf Video gedreht hätte, weil man da viel schneller ist. Er sagt ja viel schlimmere Dinge, die sind jetzt nur auf der Tonspur bei uns, weil wir auf 16mm gedreht haben und nicht so schnell hinterher kamen.

Was sind denn das für „schlimme Dinge“?

Er sagt zum Beispiel, daß man jedem Richter ins Bein schießen müßte, um zu verhindern, daß rechte Gewalt vor Gericht verurteilt wird.

Worin besteht Ihrer Meinung nach der Unterschied zwischen der Beziehung zwischen Ihnen und Althans auf der einen und der zwischen Müller und Riefenstahl auf der anderen Seite?

Ich habe das Riefenstahl-Porträt nicht gesehen. Aber in beiden Fällen war ja die Pressereaktion oft, von der zu geringen Distanz zu reden, die da zwischen Regisseur und Protagonist bestünde – aber das ist völliger Blödsinn. Für mich ist ganz klar, daß ich jemanden duze, wenn ich ein Jahr mit ihm arbeite, so wie mit Althans. Bei jemandem wie Quentin Tarrantino („Reservoir Dogs“, „Bad Lieutenant“) wundert sich überhaupt niemand über dessen Haltung; aber der dreht doch auch Filme über das alltägliche Böse. Bei mir ist es eben nur dokumentarisch und schockt deshalb noch mehr. Wenn man von vornherein eine Blockade dagegen hat, erfährt man eben nichts. Ich war auch nicht falsch gegenüber Althans; er wußte von Anfang an, wie ich zu ihm stehe. Er ist natürlich intelligenter als andere Neonazis, andererseits ist er so narzißtisch, daß er sich um Kopf und Kragen redet – genau das passiert in meinem Film. Man muß nur warten, und der schaufelt sich sein eigenes Grab. Er ist inzwischen ja auch in der Szene völlig diskreditiert.

Ich hatte damals den Eindruck, es bestünde zwischen Ihnen eine Art erotischer Spannung?

(lacht) Das ist, entschuldigen Sie, völlig absurd. Ich bin leider überhaupt nicht, also gar nicht homosexuell, ich kann nichts dafür, aber ich bin völlig heterosexuell. Ich habe sehr gelacht, als ich das damals gelesen habe, sehr gelacht. Der Eindruck kann entstanden sein, weil Althans natürlich (kichert) homosexuell ist, und weil er da womöglich was wollte ...

Wieso kommt das eigentlich in dem Film nie vor, das wollte ich Sie schon immer mal fragen.

Ich wußte es natürlich, ich habe da ein sehr starkes Gefühl für, und ich habe ihn gefragt, aber Althans hat es damals abgestritten und gesagt, er habe eine Freundin. Davon gab es auch Fotos.

Beide Ihrer Filme, sowohl das Porträt des Aussteigers Ingo Hasselbach als auch „Beruf Neonazi“, haben heftige Reaktionen ausgelöst, zu denen Sie sich bislang nicht allzu ausführlich in der Presse geäußert haben. Wie schätzen Sie deren Wirkung inzwischen ein?

Ich habe den Eindruck, daß es einen viel größeren öffentlichen Druck auf die Szene gibt. Als ich anfing, konnten sich Rechtsradikale noch treffen, wo und wann sie wollten, das ist heute anders. Die Reaktionen der Justiz sind viel schärfer geworden. Bestimmte öffentliche Versammlungen sind heute undenkbar.

Ich bin von jüdischen Bürgern in Australien, wo es sehr viele –, wo es eine sehr große jüdische Gemeinde gibt, für den Film beglückwünscht worden. Sie wollen ihn dort auch zeigen. In den USA wird er demnächst einen offiziellen Kinostart haben. In einem Comic von Neonazis werden Ingo Hasselbach und seine Mutter als Kommunisten dargestellt und ich mit einem Judenstern auf der Stirn. Ich frage mich, wer mir da noch falsche Sympathien unterstellen will.

Was haben Sie jetzt vor?

Ich möchte einen Spielfilm über werdende Rechtsradikale im Osten machen. Die interessieren mich mehr als die Westler, sie sind natürlicher, nicht so cool.

Das Gespräch führte

Mariam Niroumand