Sozialhilfemißbrauch von Amts wegen

■ Kroatische Kriegsflüchtlinge verlieren ihre Duldung und damit zugleich die Arbeitserlaubnis, selbst wenn sie einen Job haben / Sozialamt muß dann zahlen

Einmal im Monat schwappt die CDU den „Skandal“ in die Presse: „Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien erschleichen Sozialhilfe“. Um mehr als 100 Millionen Mark prellen die undankbaren Gäste den Berliner Etat. Doppelt und dreifach kassieren die bei der Sozialhilfe ab, posaunt der ausländerpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Roland Gewalt. Nach erkennungsdienstlicher Behandlung aller Kriegsflüchtlinge ruft Innenstaatssekretär Armin Jäger zur Verhinderung des „Sozialhilfemißbrauchs“ auf. Eine ganz andere Variante des Mißbrauchs mit Sozialhilfegeldern erleben nun viele Flüchtlinge selbst: Sie werden von Amts wegen gezwungen, ihre Berufstätigkeit aufzugeben und künftig Sozialhilfe zu beziehen.

Seit gut einem Jahr arbeiten Marisa N. und Dragica K. In einem kirchlichen Krankenhaus als Pflegerinnen. Zur vollsten Zufriedenheit ihres Arbeitgebers, der sie als äußerst zuverlässig, gewissenhaft und qualifiziert schätzengelernt hat. Doch das interessiert die Ausländerbehörde herzlich wenig. Frau N. und Frau K. kommen beide aus Kroatien und werden nach einem Beschluß der Innenministerkonferenz in Deutschland nicht mehr geduldet. Abschieben kann man sie zwar nicht, weil ihre Heimatstadt unmittelbar an der Front liegt und sie rechtlichen Einspruch gegen ihre Ausreiseaufforderung beim Verwaltungsgericht eingelegt haben. Dennoch hat die Ausländerbehörde ihnen die Duldung entzogen und damit automatisch auch die Arbeitserlaubnis. Sobald die Aufforderung zur Ausreise in den Paß gestempelt ist, erteilt das Arbeitsamt keine weitere Arbeitserlaubnis mehr. Beide Frauen beziehen nun zwangsläufig Sozialhilfe – bürokratische Vorschriften wollen es so. Teure Schikane Nummer zwei: Obwohl die beiden Kroatinnen regelmäßig in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, bekommen sie kein Geld vom Arbeitsamt. Um Arbeitslosengeld zu beziehen, müßten sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen – das verbietet ihnen das Arbeitsamt nun.

Die Flüchtlingsberatungsstellen können eine endlose Reihe von Beispielen für diesen Sozialhilfemißbrauch auflisten. Elena M. Stammt aus Bosnien, doch um mit ihren drei Kindern nach Deutschland einreisen zu dürfen, beantragte sie damals einen kroatischen Paß. Für die deutschen Behörden ist sie damit Kroatin, obwohl sie vor ihrer Flucht nachweislich in Bosnien lebte. Als Kroatin ist auch Elena M. zur Ausreise aufgefordert. Sie ist ihre Duldung und gleichzeitig ihre Arbeit los. Seit sie in Deutschland ist, hat sie bei einer Firma geputzt. Mit rund 800 Mark hat sie ihre Familie fast allein über Wasser gehalten. Das Sozialamt brauchte nur einen kleinen Zuschuß zu zahlen. Jetzt liegt Elena M. dem Sozialamt auf der Tasche. Ihr Arbeitgeber mußte sie kündigen, als die Behörde ihr die Arbeitserlaubnis entzog. Elena M. hat mittlerweile einen bosnischen Paß beantragt. Wenn sie den in der Tasche hat, darf sie bis auf weiteres in Deutschland bleiben und arbeiten. Doch bis das Dokument ausgestellt ist, können Wochen vergehen. Das Sozialamt zahlt, ganz ohne christlich-demokratische Empörung, seinen eigenen Mißbrauch. Vera Gaserow