Press-Schlag
: Das Spiel läuft

■ Fußball-Frauen im EM-Viertelfinale

Gero Bisanz ist ein freundlicher Mann. Hundsgemeine Zeitgenossen behaupten zwar, er habe eine Ausstrahlung wie Berti Vogts, doch was mag das heißen? Jedenfalls erklärt er bei den Landpartien der deutschen Nationalkickerinnen regelmäßig und gar nicht eingebildet auch die unwissendsten Sportjournalisten – die leider in der Mehrzahl sind – darüber auf, wer denn nun eigentlich bei ihm Libera spiele undsofort. Daß er ein Produkt zu vertreiben hat, das ihm die Öffentlichkeit nicht gerade aus den Händen reißt, weiß er, und warum das so ist, wahrscheinlich auch. Also nimmt er, was er kriegen kann und macht mit, was mitzumachen ist. Fährt die Fernsehkamera auf sein Stühlchen zu, auf dem er gewöhnlich recht unbeteiligt dem Treiben zuzuschauen versteht, kann es passieren, daß er sich erhebt, zum Spielfeldrand schreitet und mühsam einer Akteurin etwas zumurmelt. Was prima ist, weil den ARD-Leuten das Gekicke an sich schon mal etwas zu dröge erscheint für die Nachmittagszeit, wo normalerweise in den Talkshows jede Menge praktizierende Perverse ihre aufregenden Anomalitäten vor einem Millionenpublikum ausbreiten.

Was haben dagegen Doris Fitschen und Heidi Mohr zu bieten? Nun: Etwa zwei Millionen ziehen die Kickerinnen für gewöhnlich auch. Neulich, als die DFB-Frauen die Waliserinnen, die just damit angefangen haben, sich dem Ballspiel zu nähern, in einem naturgemäß hundsmiserablen Spiel 12:0 besiegt haben, sei die ARD, so berichtet man beim DFB, ganz euphorisch gewesen: Für die nämlich war das Gekicke „eine schöne Fernsehshow mit vielen Toren“. Und das, so findet Pragmatiker Bisanz (58) denn auch, sei immer noch besser, als „Spiele, in denen die Gegnerinnen nur hinten drin stehen, und wir nur zwei Tore schießen“.

Also war das Abhaken der EM-Viertelfinalqualifikation in Sindelfingen, ein 8:0 gegen Kroatien, ein veritabler Erfolg, obschon der Leistungsunterschied, wie in allen Qualifikationsspielen, dermaßen kraß war, daß von einem sportlichen Messen nie die Rede sein konnte. „Ja“, sagte der kroatische Aushilfstrainer Bujevic, „wir haben diesmal wenigstens zwei, drei Torchancen gehabt“. „Ja“, sagt auch Bisanz, „für uns kommt es nicht darauf an, ob wir zwei Tore oder mehr oder weniger schießen, wir wollen ein gutes Spiel zeigen.“ „Ja“, soll auch die ARD gesagt haben, bei der Südfunkchef Gerhard („Gerry“) Meier-Röhn persönlich das Interviewmikro schwang, um bei Spielführerin Silvia Neid zu erkunden, wie die Kickerinnen Kaiser Beckenbauers Dekret nach Kleidung, die künftig „körperbetont und sexy“ zu sein habe, umzusetzen gedächten. Daß die blonde Blumenausfahrerin eigentlich „attraktiven Fußball spielen“ wolle, keinesfalls aber während des Spiels „Männer aufreißen“, mußte der larmoyante Dünnstplauderer mit großem und ungläubigem Erstaunen zur Kenntnis nehmen.

Aber was tat's? Der Service ist tatsächlich perfekt: Bisanz steht immer zur Verfügung. Und wenn die Fernsehjungs eine am Boden liegende Spielerin nicht erkennen, was der Normalfall ist, dann holen sie sich ihre Informationen schnell und unbürokratisch auf der Auswechselbank bei DFB-Trainerin Tina Theune-Meyer. „Ich bin froh“, sagte Bisanz, „daß das Fernsehen Spiele meiner Mannschaft überträgt.“ Zwar schaffen es ins Stadion zur fernsehverordneten Zeit nicht mehr alle, in Sindelfingen gerade 1.600. Aber: Beim DFB, sagt der für den Frauenfußball zuständige Willi Hink, hat man ausgerechnet, daß „im Endeffekt mehr Leute das Spiel sehen, wenn es um 15 Uhr im Fernsehen übertragen wird.“ Das muß stimmen. Und überhaupt, sagt Tina Theune-Meyer (41), „können wir auch Sachen ablehnen, wenn es gerade nicht paßt“.

Die DFB-Trainerin ist nominell mit Bisanz gleichgestellt, de facto aber eher eine hart arbeitende Zulieferin für einen Chef, der sich bisweilen die Namen von neuen Spielerinnen nicht mehr recht einprägen mag, und deshalb auch gerne alles beim alten beläßt. Dafür wird Tina aber auch in Ruhe gelassen, während Bisanz in Sindelfingen gar noch minutenlang einem Rundfunkreporter eselsgeduldig Frage und Antwort stand, als die zweite Halbzeit längst lief. Solchen Rundumservice nun mag selbst die zurückhaltende Theune-Meyer nicht dulden. „Das“, sagt sie, „hat mir überhaupt nicht gefallen.“ Denn, findet Deutschlands kompetenteste Frauenfußballfachkraft: „Wenn das Spiel läuft, läuft das Spiel.“ Peter Unfried