Die Rechte gewinnt, die Linke regiert

Dänemarks Ministerpräsident Nyrup Rasmussen bei vorgezogenen Wahlen trotz leichter Verluste an die rechte Opposition im Amt bestätigt / Links-grüne Sozialisten gestärkt  ■ Aus Kopenhagen Reinhard Wolff

Die DänInnen ließen sich in ihrer Wahlentscheidung am Mittwoch vom linken Trend anstecken, der zur Zeit die skandinavische Politik prägt: Ministerpräsident Nyrup Rasmussen darf weitermachen. Mit 34,6 Prozent wurden seine Sozialdemokraten zwar erwartungsgemäß gegenüber dem Ergebnis von 1990 (37,4 Prozent) gestutzt. Aber das absolute Meinungstief, in dem Nyrup Rasmussens im Januar 1993 angetretene Regierung noch im Sommer gesteckt hatte, haben sie hinter sich gelassen.

Von der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten, linksliberaler radikaler Venstre, Zentrumsdemokraten und Christlicher Volkspartei scheiterte zwar letztere an der Zwei-Prozent-Hürde, sodaß der Ministerpräsident sich formal nur auf eine Minderheit von 75 der 179 ParlamentarierInnen stützen kann. Nyrup Rasmussen darf aber die rot-grüne Sozialistische Volkspartei mit ihren dreizehn Sitzen in seine Mehrheitsplanungen einbeziehen. Auch wenn die Zeit für eine rot-grüne Koalition in Dänemark noch nicht reif zu sein scheint – die Sozialdemokraten versuchen traditionell zunächst Mehrheiten in der Mitte zu finden –, könnte die Arithmetik des jetzigen Wahlergebnisses zu einer deutlicheren rot-grünen Ausprägung der dänischen Politik führen.

Die drei Parteien, die jetzt den linken Flügel der dänischen Politik abdecken, Sozialdemokraten, Sozialisten und Einheitsliste, kamen auf über 45 Prozent. Laut Wahlanalysen gab es eine interne Stimmenverschiebung nach links: von den Sozialdemokraten und den Sozialisten zur antieuropäisch ausgeprägten Einheitsliste. Nyrup Rasmussen bleibt keine andere Wahl, als eine mit der Sozialistischen Volkspartei und teilweise auch der Einheitsliste zumindest ansatzweise abgestimmte Politik zu führen, weil anders keine Mehrheit im Parlament zustandekommen kann.

Die Parteien des rechten Spektrums, Konservative, rechtsliberale Venstre und populistische Fortschrittspartei haben sich im Vorfeld der Wahlen als kompakter Rechtsblock präsentiert, mit dem eine Zusammenarbeit sich von vornherein ausschließt. Sie blockieren mit ihrem gesammelten Stimmenanteil von 44 Prozent 80 Parlamentssitze, sind aber viel zu zerstritten, um eine Regierungsalternative zu stellen. Lagen 1990 Venstre und Konservative mit einem Stimmenanteil von 15,8 beziehungsweise 16 Prozent noch Kopf an Kopf im Wettstreit um die größte Rechtspartei, zog jetzt Uffe Ellemann-Jensens Venstre rechts außen vorbei und klar in Führung: mit 23,3 Prozent bei lediglich noch 15 für die Konservativen. Die Fortschrittspartei, die mit Ausländerfeindlichkeit auf Stimmenfang ging, hielt mit 6,4 Prozent ihre Stellung.

Als neue Partei zogen erstmals AntieuropäerInnen ins dänische Folketing ein. Auf 3,2 Prozent brachte es auf Anhieb die Einheitsliste, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das große Schweigen zur Europapolitik zu durchbrechen, das sich nach den beiden Maastricht-Volksabstimmungen ausgebreitet hatte. Europa hatte ansonsten im mit 23 Tagen rekordkurzen und an Themen armen Wahlkampf keine Rolle gespielt. Wohl aber die zukünftige Wirtschaftspolitik, die auch die große Bewährungsprobe für Nyrup Rasmussens neue Regierung werden dürfte. Wie Meinungsumfragen gezeigt haben, hielt eine klare Mehrheit der WählerInnen die Ökonomie für das wichtigste Problem, wobei gleichzeitig aber wiederum eine Mehrheit keiner Partei zutraute, Dänemark wirklich aus der Wirtschaftskrise herausführen zu können. Wenn die Regierung dieses Mißtrauen nicht kräftiger zu spüren bekam, dann weil sie zumindest auf einige Konjunkturzeichen nach oben verweisen kann und mit einer Reihe von Arbeitsmarktinitiativen neue Jobs schaffen konnte.

Für Uffe Ellemann-Jensen, der als Oppositionskandidat im Wahlkampf erfolgreich auf populistischer Welle ritt, mit Ängsten über ein rot-grünes Chaos Rechtsstimmen abfischte und sich unter anderem mit so hautnahen Fragen wie den Ladenöffnungszeiten profilierte – „es geht ganz einfach um die entscheidende Frage, ob wir nach 22 Uhr die Wurst mit Tomatenketchup genießen können oder mit Tomatenpüree vorlieb nehmen müssen“ –, könnte sein persönlicher Wahlsieg den Weg nach oben öffnen. Er gilt nach seinem Scheitern als Nyrup Rasmussens Nachfolger nunmehr als neuer heißer Name für den Posten des Nato-Generalsekretärs, nachdem der bisherige Favorit, der belgische Außenminister Willy Claes weder in Washington noch in Bonn auf große Begeisterung stößt.

Ellemann-Jensen hat sich in seiner Zeit als dänischer Außenminister als kämpferischer Europapolitiker profiliert und dürfte noch in dieser Woche von Kopenhagen als Kandidat für den Generalsekretärposten nominiert werden.