Feuerwehrchef: „Uns fehlten 30 Sekunden“

■ Im Prozeß um die Solinger Morde korrigiert der Leiter der Feuerwehr bisherige Angaben zum Brandverlauf / Durch diese Aussage sieht sich die Anklage gestützt

Düsseldorf (taz) – Der Leiter der Solinger Feuerwehr, Branddirektor Frank Michael-Fischer, hat gestern seine schriftliche Dokumentation zum Feuerwehreinsatz beim Brandanschlag auf das Haus der Familie Genç in einem wichtigen Punkt relativiert. In dem Bericht schrieb Fischer seinerzeit, das das Feuer „grob geschätzt 20 bis 30 Minuten“ vor Eintreffen der Feuerwehr gelegt worden sei. Auf Nachfragen erklärte Fischer gestern, er habe keine genauen Kenntnisse über die Vorbrennzeit, sondern den Zeitraum „nur aufgrund von Erfahrung geschätzt“. Das sei eine „Randbemerkung gewesen, eine rein gefühlsmäßige Angelegenheit“.

Die von Fischer verbreitete Vorbrennzeit war von der Verteidigung der beiden jegliche Tatbeteiligung bestreitenden Angeklagten immer als ein wichiges Entlastungsindiz gewertet worden. Tatsächlich steht diese Vorbrennzeit in krassem Gegensatz zu dem der Anklage zugrundeliegenden Zeitrahmen. Laut Anklage soll der Brand um 1.38 Uhr gelegt worden sein. Eingetroffen ist die Feuerwehr um 1.47 Uhr. Wäre das Feuer tatsächlich 20 bis 30 Minuten vorher gelegt worden, stünde das gesamte Anklagegebäude zur Disposition. Zu einem solch frühen Zeitpunkt könnten nämlich drei der vier Angeklagten kaum am Tatort gewesen sein. Deshalb kommt dem Zeitpunkt der Brandlegung eine entscheidende Bedeutung im Prozeß zu.

Nach den Worten von Fischer stand das Haus der Familie Genç schon bei seiner Ankunft bis zum Dachstuhl in Flammen. Wie ein „Feuerball“ habe das brennende Haus auf ihn gewirkt. Jegliche Kritik am Einsatz der Feuerwehr wies Fischer gestern zurück. Vorwürfe wie die von Ahmet Ince, der ausgesagt hatte, seine Frau und zwei Kinder hätten bei zügigem Einsatz der Feuerwehr „zu 99 Prozent“ gerettet werden können, entbehren nach Fischer jeder Grundlage. So sei das Sprungpolster schon am richtigen Ort gewesen, als Frau Ince aus dem Fenster gesprungen sei. Nur aufgeblasen war es noch nicht. Fischer: „Uns fehlten 30 Sekunden.“

Unter den Verteidigern der vier Angeklagten kam es gestern erneut zu einem scharfen Wortgefecht. Dabei warf der Düsseldorfer Anwalt Georg Greeven, der den jede Tatbeteiligung bestreitenden Felix K. verteidigt, seinem Kollegen Siegmund Benecken vor, eine Verteidigungsstrategie zu verfolgen, die darauf hinauslaufe, „eine möglichst milde Strafe auch für den Fall der Unschuld anzustreben“. Walter Jakobs