Aufsichtsrat drückte alle acht Augen zu

■ Rechnungshofbericht zum Immobilienskandal am Flughafen Schönefeld: Kontrollpflicht nicht wahrgenommen

Die Berliner Senatoren und Staatssekretäre im Aufsichtsrat der Berlin-Brandenburger-Flughafen-Holding (BBF) haben ihre Aufgaben nicht wahrgenommen. Das geht aus dem Bericht des Landesrechnungshofs hervor, der sich mit dem Immobilienskandal am Flughafen Schönefeld beschäftigt. In dem Bericht, der der taz vorliegt, heißt es, es sei nicht erkennbar, daß die vier Vertreter Berlins Einfluß auf Entscheidungen genommen hätten, „obwohl sie dazu im Interesse Berlins verpflichtet gewesen wären.“ Bei den vier Mitgliedern handelt es sich um Finanzsenator Elmar Pieroth, Verkehrssenator Herwig Haase, den Chef der Senatskanzlei, Volker Kähne, (alle CDU) und um das damalige Mitglied der Wirtschaftsverwaltung, den ehemaligen Staatssekretär Jörg Rommerskirchen (SPD).

Des weiteren kommt der Rechnungshof zu dem Ergebnis: „Der Aufsichtsrat als Gremium hat

– es teilweise versäumt, die Umsetzung seiner Beschlüsse durch die Geschäftsführung zu kontrollieren,

– sich nicht mit Nachdruck bemüht, eine arbeitsfähige Geschäftsleitung zu bestellen und diese zu veranlassen, eine effiziente Organisationsstruktur in der Holding aufzubauen,

– trotz Hinweisen auf verlustreiche Grundstückskäufe am Flughafen Schönefeld nicht reagiert,

– nicht die Vorlage des Jahresabschlusses 1992 angemahnt.“

Im Zusammenhang mit dem Fehlkauf von 118 Hektar Ackerfläche, durch die laut einem Londoner Gutachten bis 1997 ein Defizit von 902 Millionen Mark droht, attackiert der Rechnungshof insbesondere den Finanzsenator. Seine Verwaltung sei zuständig für die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte des Landes Berlin. Doch als im Dezember 1991 Berlin und Brandenburg mit Anteilen von jeweils 37 Prozent zusammen mit dem Bund (26 Prozent) die Holding gründeten, habe die Finanzverwaltung es unterlassen, die Berliner Stammeinlage zu bewerten. Ein Bewertungsgutachten hätte aber die Risiken aufgedeckt und „den Grunderwerb am Flughafen Schönefeld früher problematisiert“.

Die Geschäftsführung hatte die Brandenburger Landesentwicklungsanstalt (LEG) mit dem Grundstückserwerb kurz nach der Gründung der Holding bevollmächtigt. „Ohne Kontrolle“, heißt es, zahlte die LEG 50 bis 400 Mark pro Quadratmeter. Unter anderem seien Grundstücke erworben worden, „die im wesentlichen überhaupt nicht für den Flughafenausbau vorgesehen waren“.

Als der Aufsichtsrat zu seiner konstituierenden Sitzung im März 1992 zusammentrat, sollen bereits 103 der 118 Hektar gekauft worden sein. Der Rechnungshof räumt zwar ein, daß die beiden Geschäftsführer auch danach Informationspflichten „nur sehr unzureichend nachgekommen“ seien. Doch heißt es weiter, „der Aufsichtsrat hätte dennoch vorzeitiger Informationen erhalten können, wenn er den gelegentlichen Hinweisen der Geschäftsführung zum Verlauf des Grunderwerbs stärkere Beachtung geschenkt hätte“.

So sei etwa Verkehrssenator Haase bereits im Mai 1992 von der Stadtentwicklungsverwaltung über den Grundstückskauf informiert worden. Doch „weder die Information über den Umfang [...] noch die Höhe des Quadratmeterpreises war für die Berliner Vertreter Anlaß einer Nachfrage in einer der folgenden Sitzungen“. Auch hätte der Aufsichtsrat „spätestens im August 1993 nachfragen müssen“, warum die Geschäftsführung den Jahresabschluß 1992 hinauszögert. Bei Beachtung erster Hinweise hätten Grundstücke bereits anderthalb Jahre früher wiederverwertet werden können – „in diesem Zeitraum sind Kreditkosten von mindestens 50 Millionen Mark angefallen“.

Die Verluste von 210 Millionen Mark ohne Zinsen sowie weiteren 114 Millionen Mark, die bis Mitte 1994 durch den defizitären Betrieb Schönefelds und Tempelhofs aufgelaufen sind, haben nach Angaben der Kontrollbehörde weitreichende Folgen: Der BBF fehlen Mittel zur Teilfinanzierung des südlich von Berlin geplanten Großflughafens, da durch die Verluste „Rücklagen nicht gebildet werden konnten und in naher Zukunft nicht entstehen werden“. Das Stammkapital sei durch die Verluste „nahezu aufgebraucht“. Der Eröffnungstermin im Jahr 2004 sei nicht realistisch. Und noch schlimmer: „Die Finanzierung des Ausbaus Schönefelds durch die Holding ist vor allem aufgrund der Grundstücksfehlkäufe ausgeschlossen.“

Es sei unverständlich, heißt es endlich, daß für alle wesentlichen Unternehmensziele in den bald drei Jahren nicht zumindest Konzepte entwickelt, Maßnahmen vorgeschlagen und Entscheidungen getroffen worden sind. Wie berichtet, wird sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß von Oktober an mit der Rolle der Berliner Vertreter beschäftigen. Selbst bei der CDU wird nicht mehr ausgeschlossen, daß „Köpfe rollen“. Dirk Wildt