Palästinenser dürfen wählen – aber was?

Weil Israel einen palästinensischen Staat fürchtet, werden die Wahlen in den Autonomiegebieten verschoben / Eine Veränderung des Status quo vor 1996 ist unwarscheinlich  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Für Israels Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin sind „vertraglich festgelegte Daten nicht heilig“ – jedenfalls nicht, wenn es sich dabei um mit der PLO vereinbahrte Termine handelt. Am 10. September beschloß die palästinensischen Selbstverwaltungsbehörde in Gaza, die Wahlen zu einem palästinensischen Legislativrat in den besetzten Gebieten im November stattfinden zu lassen. Obwohl dieser Beschluß dem zwischen Israel und der PLO ausgehandelten Autonomieplan entspricht, lehnt Rabin ihn ab. Seiner Ansicht nach müssen Israelis und Palästinenser erst über verschiedene Aspekte der Wahlen ausführlich verhandeln. Laut israelischen Regierungssprechern können noch Monate vergehen, bis die PalästinenserInnen in der Westbank über ihre „Regierung“ abstimmen“.

Laut dem vor einem Jahr in Oslo zwischen Israelis und Palästinensern ausgehandelten Grundsatzabkommen hätten die Wahlen bereits bis zum 13. Juli stattfinden müssen. Sie sollten einhergehen mit der Ausdehnung der palästinensischen Selbstverwaltung auf die besetzte Westbank und einer entsprechenden Umgruppierung der israelischen Streitkräfte. Da die israelischen Behörden jedoch nicht mit den Palästinensern zusammenarbeiten wollen, ist eine Durchführung der Wahlen auch bis zum November unwahrscheinlich. Die Israelis weigern sich, der Bevölkerung Registrierungslisten zur Verfügung zu stellen. Sie wollen verhindern, daß die Palästinenser Meldebüros in Ost-Jerusalem errichten. Und die israelischen Truppen machen keinerlei Anstalten, aus den palästinensischen Städten der Westbank abzuziehen.

Nach der Darstellung israelischer Regierungsbeamter ist die von den Palästinensern geplante Wahl einer 100 Mitglieder zählenden gesetztgebenden Versammlung und Exekutive illegal. Angeblich haben sich beide Seiten in Oslo auf ein wesentlich kleineres Gremium geeinigt. Außenminister Schimon Peres sagte am Donnerstag, Israel habe sich zwar dazu verpflichtet, Wahlen zuzulassen. Vor deren Durchführung müßten sich beide Seiten aber noch darauf einigen, „was gewählt werden soll“.

Berater im israelischen Außenministerium plädieren für eine schrittweise Erweiterung der palästinensischen Selbstverwaltung auf der Westbank. Sie glauben, daß nur durch Fortschritte im Friedensprozeß mit den Palästinensern ähnliche Abkommen mit den arabischen Nachbarstaaten angebahnt werden können. Palästinensische Wahlen genießen im Außenministerium keine großen Sympathien. Stattdessen favorisiert man die Übergabe von weiteren Selbstverwaltungsbereichen an die Palästinenser.

Rabin ist sich mit den Spitzen der Militärverwaltung einig, daß es aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist, die vorgesehenen Truppenverschiebungen durchzuführen. Gegen eine Veränderung des Status quo in der Westbank sprechen auch die Verhandlungen mit Syrien. Die Gespräche über einen Abzug der israelischen Truppen vom Golan sorgen unter den dortigen Siedlern für erhebliche Unruhe, unter ihnen sind einflußreiche Mitglieder von Rabins Arbeitspartei. Da der Regierungschef weitere störende Einflüsse auf seine Koalition verhindern will, sind Veränderungen in der Westbank kaum vor den nächsten Knessetwahlen 1996 zu erwarten.