Mordversuch: Viele schauen zu, niemand greift ein

■ Skins werfen Ghanaer aus Berliner S-Bahn

Berlin (taz) – Ein Mensch wird mit Messerstichen schwer verletzt, dann aus der fahrenden S-Bahn geworfen, mehrere Fahrgäste schauen zu. Niemand zieht die Notbremse, niemand steigt an der nächsten Station aus und informiert die Polizei. Am nächsten Morgen wird das Opfer zufällig und fast tot am Gleisbett gefunden, mit einem Schädelbasisbruch ins Krankenhaus gebracht. Es ist ein 25jähriger Asylbewerber aus Ghana. Er wird überleben, aber mehrere Tage liegt er im Koma.

Das Horrorstück ereignete sich in der Nacht zum vergangenen Samstag in der Nähe von Berlin und wurde erst jetzt bekannt. Die Täter waren vermutlich Skinheads aus Berlin oder Oranienburg. Eine Sonderkommission der Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes. Die Polizei appelliert an die Zeugen, sich zu melden. „Die unterlassene Hilfeleistung ist strafrechtlich relevant“, sagt sie, eine nachträgliche Aussage wäre wenigstens eine kleine „Wiedergutmachung“.

Der Überfall war nicht der erste seiner Art. In den vergangenen drei Jahren wurden mehr als zwanzig Ausländer aus Zügen und Bussen geworfen – die Liste des Archivs für Sozialpolitik ist unvollständig. Anita Kugler Seiten 3 und 10