Hallo Stellingen, bonjour tristesse

■ Der HSV quält sich zu einem 2:1 gegen Dynamo Dresden

Das Schwimmbad am Volkspark ist das einzige der Stadt, welches im eben verronnenen Jahrhundertsommer einen trostlosen Anblick bot. Es fehlte an Geld, das Becken mehr als halb zu füllen, und Blätter verdunkelten während der gesamten Hitzeperiode die Wasseroberfläche. Das Freibad am Fußballstadion, einst erheiternder Lichtblick in der Dreieinigkeit von Hauptfriedhof Altona, Elektronenforschungszentrum DESY und dem Autobahnzubringer an der Schnackenburgallee, ergänzt nun die Tristesse am Stadtrand. Wenn das Volksparkstadion ein wesentliches Element städtischer Identität darstellen soll – für eben jenes hält der Architekturhistoriker Simon Inglis Fuballarenen – muß es um Hamburg gewaltig schlecht bestellt sein. Denn trostlos geht es nicht nur ausserhalb der Stellinger Betonpfanne zu, sondern auch darinnen.

Die fragwürdigen Rahmenprogramme, die das Vereinsmanagement wohl wegen Erhöhung der Witzischkeit zu Saisonbeginn einführte, machen mittelmäßige Spiele zu einer doppelt traurigen Angelegenheit. Eine brasilianische Trommeltruppe etwa, die vor und zwischen der ersten Heimpartie gegen Uerdingen karnevalesk ums Feld kurvte, betonte nur den kilometerbreiten Raum, der zwischen dem torlosen Kick und jeder Art rhythmischer Spritzigkeit lag.

Am Sonnabend nachmittag gegen Dynamo Dresden sollte eine schweizer Folkloregruppe aus Bad Schießmichtot – die Musikanten trugen überkopfgroße Kuhglocken an breiten, roten Filzbordüren um die gebeutelten Hälse – die 23.000 Fans fröhlich stimmen. Der Anhang der Rot-Weißen ebenso wie jener der Gelb-Schwarzen fragte sich verwirrt, was ihnen die Performance wohl zu sagen haben mochte. Ging es etwa um einen sehr verdeckten Beitrag zur „Mein Freund ist Ausländer“-Kampagne?

Das eigentliche Ereignis war leider nicht dazu angetan, derlei spekulative Fragen vergessen zu dürfen. „Die drei Tore reichen grad' mal für 'nen 45 Sekunden-Block“, faßte der ZDF-Kameramann pragmatisch das zusammen, was im sonnabendlichen Sportstudio präsentiert werden sollte, um der Chronistenpflicht zu genügen. Fairerweise müßte man noch den gelungenen Doppelpaß zwischen Spörl und Ivanauskas aus der 36. Minute hinzunehmen. Mehr jedoch wäre Zelluloidvergeudung gewesen.

Statistisch bleibt festzuhalten, daß der HSV die Dresdener Mauerkombo nach viermal 1:1 in Folge mit 2:1 besiegte (Tore: Albertz und Bäron drei Minuten vor Waterloo – Dittgen). Stein-Sperre, Zarate-Abstinenz und Abwanderungsgerüchte, das oft zitierte Reizklima, scheinen dem inzwischen Tabellensechsten gar nicht schlecht zu bekommen. Trainer Benno Möhlmann jedenfalls wirkte am Ende zufrieden und gut unterhalten. Wenigstens einer. Claudia Thomsen