„Sensible“ Beschleunigung von Abschiebungen

■ Wie die Stadt Eschweiler bei Aachen zum Richter über Asylverfahren werden möchte

Eschweiler (taz) – „Sozialarbeiter bezogen heftige Prügel“ – so titelte arg wahrheitswidrig die Provinzpresse. Denn das kräftig malträtierte Opfer einer massiven Keilerei war ein Asylbewerber aus dem Togo. Die beiden nur leicht verletzten Kontrahenten waren ausgerechnet seine Betreuer vom Sozialamt. Geschehen ist die Prügelei Anfang August in Eschweiler-Weisweiler bei Aachen. Zeugen sagen aus, die beiden Sozialamtsmitarbeiter hätten ein zum Trocknen ausgelegtes religiöses Gewand des gläubigen Muslims in einen Müllcontainer geworfen und ihn damit wohl tief in seinen religiösen Gefühlen getroffen und zur Weißglut getrieben. Angeblich waren sie es, die den Togolesen danach angegriffen, verprügelt und auf die Straße geworfen haben, so daß Passanten zunächst an einen rassistischen Überfall dachten und das Opfer im Krankenwagen abtransportiert werden mußte. Zunächst versuchte man, die Keilerei zu vertuschen. Gegen das Opfer indes wurde Strafanzeige eingereicht. Schlimm genug – doch politisch brisant sind erst die rechtsstaatlichen Schlußfolgerungen, die die Eschweiler Stadtverwaltung und das SPD-alleinregierte Rathaus aus dem Vorfall ziehen.

Am Mittwoch beschloß die Stadt einen Brief an NRW-Innenminister Schnoor: Darin bittet man „eindringlich“, für neue „rechtliche Grundlagen“ zu sorgen, nach denen „auch strafrechtlich zur Anzeige gebrachte Vorgänge verfahrensbeschleunigend“ sein sollen. Auf gut deutsch: Asylbewerber läßt sich verprügeln, wird zum Dank entscheidungsbeeinflussend angezeigt und kann anschließend für unmittelbar abschiebbar erklärt werden. Die Eschweiler Bürokraten haben derweil andere Sorgen. In ihren internen Beschlußvorlagen klagte die Verwaltung, daß im Falle des Togolesen ihr Versuch gescheitert sei, „das Verwaltungsgericht zu einer möglichst umgehenden Entscheidung zu veranlassen“; sie geißeln die „zeitaufwendige Einzelfallprüfung“ und klagen, daß unliebsame Asylbewerber nicht einfach in andere Gemeinden „umverteilt“ werden können. Und was sie besonders wurmt: daß die Stadt angeblichen Angriffen auf ihre Mitarbeiter „nicht rechtlich gestützt begegnen kann“. Es dürfe nicht „hingenommen werden“, so der zynische Vergleich, „daß der Rechtschutz der Asylbewerber praktisch höher rangiert als der der Mitarbeiter“.

Das Flüchtlingsplenum Aachen ist entsetzt, wie ausgerechnet von Sozialdemokraten „ein Präzedenzfall geschaffen“ werden soll und Nachahmer auf die Idee gebracht werden könnten, daß womöglich willkürlich eingeleitete Strafanträge zur Abschiebung führen sollen. Ihr Fazit: „Die Stadt Eschweiler macht sich zum Wegbereiter einer faschistischen Migrantenpolitik: Die Forderung, Flüchtlinge bereits bei bloßen Strafverfahren abzuschieben, galt bislang als fester Programmpunkt von Reps bis FAP.“ Anders interpretiert die Heimatpresse: Rat und Verwaltung der Stadt behandelten das Problem „sehr sensibel“. Bernd Müllender