■ Jetzt noch mehr Shoppingqualität in Düsseldorf
: Die Erstürmung Arkadiens

Düsseldorf (taz) – Eine neue Epoche ist seit letzter Woche in der nordrhein-westfälischen Hauptstadt angebrochen. Das meint jedenfalls („ohne Übertreibung“) der Architekt Walter Brune. Er ist Schöpfer der „Schadow Arkaden“, einer schicken Einkaufsgalerie in bester Citylage, und eben dieses 200-Millionen-Ding soll den historischen Quantensprung bewirkt haben. In den Festbeiträgen zur Eröffnung des Shopping-&- Schlemmer-Areals – eines Gegenstücks zur fünf Minuten entfernt liegenden Kö-Galerie, die ebenfalls Brune gebaut hat – taucht in jedem zweiten Satz die Vokabel „Erlebnis“ auf, so penetrant beschwörend, als glaubten ihre Prediger selbst nicht recht daran. „Kauferlebnis“ ist da noch das Mindeste, es spreizt sich auf zum „Erlebnisangebot“, zum „urbanen Erlebnis“, zur „Erlebniswelt“ schlechthin. Der große Waren-Kontakthof mit rund 700 laufenden Metern Schaufensterfront, davon ist Maestro Brune überzeugt, befreit den Düsseldorfer auch gleich von einem peinlichen Komplex: „Was zeigt man seinen Besuchern aus Oslo oder Moskau, wenn man keinen Stephansdom und kein Schloß Nymphenburg bieten kann?“ Von jetzt an kein Problem mehr!

Vor dem Aufkreuzen von Fjordländern und Moskowitern wollen jedoch erst einmal die Einheimischen ihren Ersatzdom aus Stein, Stahl und Glas in Besitz nehmen. Eines Donnerstags, die Prominenz hat schon am Vortag gefeiert, fällt der Startschuß, und im Nu ist die Erlebniswelt überrannt und schwarz von Menschen. Sie drängen treppauf, treppab, begutachten das Ambiente, prüfen den „durchdachten Branchenmix im gehobenen Angebotssektor“, repräsentiert von 70 Boutiquen und anderen Etablissements, lassen hier einen silbrigen Begrüßungsluftballon mitgehen, dort ein Joop- Sakko für schlappe 498 Mark.

Am frühen Nachmittag hockt man schon mal bedeutsam am großen Kommunikationstresen eines Designer-Bistros „ganz im Spirit of St. Louis“, wahlweise auch in der dunstigen Brauchtumsschenke, wo es die leckeren Dröppke gibt, und zweifellos säße auch gnä Frau jetzt längst im wappenverzierten Wiener Lokal „K & K Monarchie“ und nähme die junge Szene ihren ersten Stehmocca im „Vienna's down town“ zu sich, wenn, ja wenn diese heute pünktlich fertig geworden wären. Doch leider staubt und kreischt es hier noch mächtig. Die Terminplanung war wohl doch eine Spur zu ehrgeizig. „Wir haben gestern noch vierzig Container Schutt weggefahren“, erzählt einer im Blaumann.

Im großen ganzen aber glänzt und gleißt es, als hätte es Schutt und Blaumänner nie gegeben. Der raffiniert blau-goldene Boden eines Friseurladens kann es glatt mit den Lackbildern von Sigmar Polke (Abteibergmuseum Mönchengladbach) aufnehmen. „Image Hair Groupe“ nennt sich die Einrichtung. Überhaupt die Namen: Herrensocken hießen „No Comment“ und sehen auch so aus, Uhren im unwiderstehlichen Fossil- Schmuddeldesign gibt es im „Watch Corner“, der Blumenladen heißt natürlich „Flower Power“, und die Buchhandlung, in deren Eingangszone es nur so pilchert, ranickelt und grishammelt, hat sich das stolze Motto „Lesen Live“ zugelegt. Da lobt man sich doch die Glückwunschkarte aus dem „Gift Shop“, die da „Freibier, Sex und Geld für alle“ fordert.

Draußen auf der Straße, am Eingang der schwedischen Klamottenfiliale, spielen sich beklemmende Drängelszenen ab, auch wenn die versprochenen tausend Gratis-Baseballkappen sicher längst weg sind. Ein Stück weiter steht eine Latinogruppe und spielt „Let it be“ auf Andenflöte und Charango. Ein echt urbanes Erlebnis. Olaf Cless