Dem Kinkel geht es langsam auch an die Nieren

■ Die FDP erntete am Wahlabend und am Tag danach viel Spott / Alle anderen Parteien (außer den Reps) gaben sich zufrieden / Eindrücke von der Bayern-Wahl

In Klaus Kinkels Haut möchte in München an diesem Tag niemand stecken. Nach Hamburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen flogen die Liberalen nun auch aus dem bayerischen Landtag, gerade dort, wo seine FDP „als kontrollierende und korrigierende Kraft“ noch die absolute Mehrheit der CSU brechen wollte. „Langsam geht es mir persönlich auch etwas an die Nieren“, klagte Klaus Kinkel.

Unbarmherzig verkündeten die Hochrechnungen das Aus, und die bayerischen Liberalen verlegten sich aufs Beten. „Ich habe eine Wallfahrt nach Altötting gelobt, wenn es doch noch klappt“, gestand der Landtagsabgeordnete Dietrich von Gumppenberg. Seinem ratlosen Fraktionschef Jürgen Doeblin fiel nichts Besseres ein, als das schlechte Abschneiden gar damit abzutun, daß „mit Umfragen unseriös Stimmung gegen uns gemacht“ worden sei. Auch Parteichef Max Stadler setzte auf Entschuldigungen: „In Bayern waren wir schon immer schlechter als in Bonn.“ Nur eine zeigte ein wenig Mut. Für Thea Bock lag die Schuld am Debakel auch bei der Bonner Parteispitze. Es sei schwer, in der Koalition Profil zu zeigen, sagte die bayerische Spitzenkandidatin. Auch die Äußerungen des Generalsekretärs Hoyer, der die Bayern-FDP bereits abgeschrieben hatte, seien wenig hilfreich gewesen.

Schadenfroh kommentierten derweil andere das FDP-Desaster. Die Partei sei halt eine „Dame ohne Unterleib“, spöttelte etwa Peter Glotz, andere bemühten das treffend-schöne Bild vom Wackelpudding. Und die Bündnisgrünen frotzelten, der linke Liberalismus suche „seine Heimat ohnehin zunehmend bei uns“. Bei der FDP denke er immer an Schwaetzers Schürmann-Bau, sagt der bayerische Grünen-Chef Gerald Häfner: „abgesoffen, weil die Fundamente nicht mehr tragen“. Nur Otto Graf Lambsdorff baffte zurück: Die Dame ohne Unterleib gebe es nur im Zirkus; die Partei müsse jetzt die Regionalliga abhaken, schließlich gehe es um die Bundesliga – wenig Trost für die nun arbeitslose FDP-Truppe in Bayern, die durch ein Ofenrohr ins Gebirge schaut.

Dieses endlich weggelegt haben die bayerischen Sozialdemokraten. „Ich freue mich königlich“, jubelte die Spitzenkandidatin Renate Schmidt und ging gleich in die Offensive: In vier Jahren will sie 10 bis 12 Prozent zulegen, um den Regierungswechsel herbeizuführen. Daß Renate Schmidt jedoch in der Popularität weit über ihrer Partei rangiert, ließ sich auch am Wahlergebnis ablesen. Der Bundestagsvizepräsidentin, die jetzt ins Münchner Maximilianeum wechselt, traut man alles zu, der SPD kaum etwas. „Der CSU“, sinnierte denn auch Fraktionschef Albert Schmid, „ist es offensichtlich besser gelungen, die bayerische Mentalität anzusprechen“. Heute wird sich entscheiden, ob Schmidt Schmid den Fraktionsvorsitz abnimmt.

Ja, und dann Stoiber. Sein blondes Haar ist zerzaust. Trotz seiner Blässe gerät sogar der Ministerpräsident einmal in Wallungen: „Das Vertrauen der Bevölkerung ist enorm, das Ergebnis ein guter Rückenwind für die nächsten vier Jahre.“ Doch angesichts der „großen Turbulenzen“ der vergangenen 13 Monate, mußte der alte und neue Amtsinhaber dann doch eingestehen, hätte vor einem halben Jahr kein Mensch an den Sieg geglaubt. Da schien es, nach den Streibl-Wirren und unendlichen Filzgeschichten, vorbei mit der alten CSU-Herrlichkeit.

„Das Ergebnis der CSU ist erschreckend“, bekennt die Landesvorsitzende der Bündnisgrünen. Geschickt wußte Stoiber seine Macht zur eigenen Inszenierung zu nutzen: Der bienenfleißige Einser- Jurist spielte mal den kreuzbiederen Saubermann, als wolle er die skandallastige Staatspartei in einen Tugendverein verwandeln, mal den störrischen Bayern, der bei Asylrecht und Schwangerschaftsabbruch den windelweichen CDU-Parteigängern den Weg weisen wollte. Und Milliarden-Geschenke an die heimische Wirtschaft suggerierten, ganz Bayern befinde sich wieder im Aufwind. So kam bei der CSU dann doch Hochstimmung auf wie zuletzt zu Zeiten, als noch die ewige CSU- Ikone, „unser unvergessener Franz Josef Strauß“ (Stoiber) das Land regierte. Im Büro des CSU-Fraktionsvorsitzenden Alois Glück fielen sich zwei Männer erleichtert um den Hals. „Ja, der Stoiber und der Waigel, des san halt Hund‘“, bemerkte ein Saaldiener – in Bayern der Ausdruck höchster Bewunderung. Erwin Single