Globo global

■ Ein horizontales und vertikales Medienimperium: Brasiliens Medienzar Roberto Marinho macht Präsidenten

Linke nennen ihn den „Volksfeind Nummer 1“, Medienleute „unseren Citizen Kane“. Eine britische Fernsehdokumentation stellte kürzlich fest, daß das, was er treibt, über Citizen Kane weit hinausgeht.

Tatsache ist, daß Brasiliens Roberto Marinho heute schon eines der größten Medienmonopole der Welt regiert. Neben 50 Rundfunksendern und dem Fernsehnetzwerk „Rede Globo“, das aus 85 Sendern besteht, von denen ihm sechs ganz gehören, ist er Mehrheitseigner des Kabelsenderkonglomerats „Globosat/Net Cable TV“, das 26 Kanäle in Rio de Janeiro und São Paulo hat, des Zeitschriften- und Buchverlags „Globo“ und der zweitgrößten brasilianischen Tageszeitung O Globo. Außerdem gehören ihm, allein oder im Verbund mit städtischen Kommunen, 1.500 Earth Reception Stations (ERT) und Sendeanlagen, und auch seine Beteiligung an großen Werbeagenturen und Druckereien ist nicht unbeträchtlich.

Im Gegensatz zu fast jedem anderen großen Fernsehsender der Welt produziert TV Globo die meisten seiner Sendungen selbst und ist somit der größte private Produzent von Fernsehsendungen weltweit. Damit handelt es sich nicht nur um ein horizontales, sondern gleichzeitig um ein vertikales Medienimperium, was man in Brasilien auch ein „Kreuzungsmonopol“ nennt.

Ganz Lateinamerika versorgt

Die Globo-Gruppe hat außerdem Tochtergesellschaften in Lateinamerika und Europa, darunter „Globovision“, „Seabay“ und „Globo-Europa“. Hinzu kommen Aktienbesitz in Großunternehmen verschiedener Branchen und Bodenbesitz. Die Unternehmensgruppe ist gleichzeitig wichtigster Geschäftspartner der großen Telefon-, Kommunikations- und Elektrogesellschaften, einschließlich „NEC do Brasil“. Und zur Zeit läuft ein weiteres Joint-venture mit einem Konglomerat verschiedener brasilianischer Unternehmensgruppen an, durch das drei neue Satelliten etabliert werden, die ganz Lateinamerika versorgen können.

Der Löwenanteil aller Einnahmen des gesamten brasilianischen Anzeigenmarktes von insgesamt 3,9 Milliarden US-Dollar geht an Roberto Marinho. 1992 meldete die Roberto-Marinho-Unternehmensgruppe einen Nettogewinn von etwas über 2 Milliarden US- Dollar.

Marinhos Kommunikationsimperium beherrscht den Unterhaltungsmarkt. Die Programme seiner Sender werden täglich von circa 63 Prozent aller Fernsehzuschauer Brasiliens eingeschaltet. Sein mächtigster Konkurrent, „Sistema Brasileiro de Televisão“ (SBT), bringt es dagegen durchschnittlich nur auf 22 Prozent des Publikums; andere Sender folgen weit abgeschlagen mit 6 Prozent oder weniger.

Die fünf beliebtesten Fernsehsendungen in Brasilien kommen alle von TV Globo. Die beliebteste Sendung SBTs bringt es kaum auf die Hälfte der Zuschauer, die Globos am wenigsten beliebte Sendung erreicht! Das brasilianische Fernsehpublikum wird auf 80 Millionen Menschen geschätzt, mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Selbst im hintersten Slum, dessen Bewohner sich nicht einmal täglich satt essen können, wird man wenigstens eine oder zwei Fernsehantennen in den Himmel ragen sehen.

Roberto Marinho ist Brasiliens mächtigster Mann, und er bedient sich seiner Macht ohne Skrupel. Globos parteiliche Berichterstattung vor der Präsidentschaftswahl von 1989 sorgte dafür, daß der Vorsitzende der Arbeiterpartei, Luis Ignácio „Lula“ da Silva, unterlag. Auch diesmal führt Lula die Meinungsumfragen für die Präsidentschaftswahlen im Oktober an, und wieder benutzt Marinho seine Medienhegemonie dazu, „seinen“ Kandidaten, Fernando Henrique Cardoso, zu unterstützen, damit ja nicht Lula an die Macht kommt. Globo hat von Lula nichts Gutes zu erwarten.

Der größte Teil von Marinhos „Kreuzungsmonopol“ hat keinerlei legale Basis. Brasiliens Gesetze erlauben eine derartige Konzentration von Sendelizenzen nicht – und viele der Lizenzen sind ohnehin abgelaufen und müssen neu ausgehandelt werden. Marinhos Kabelsender fingen an, bevor das Kabelfernsehen im allgemeinen reguliert werden konnte. Lulas Wahlplattform beinhaltet aber die Zerschlagung des Medienmonopols und verspricht die Durchsetzung jener von 1988 stammenden Grundgesetzparagraphen, die eine Medienkonzentration verbieten und Regeln für die Vergabe von Sendefrequenzen zur Herstellung einer Pluralität der Medien formulieren.

Karriere unter den Militärs

Roberto Marinho begann seine Karriere unter dem Schutz des Militärregimes, das 1964 an die Macht kam. Seit jenen Tagen ist er der Maxime der Elite des Landes treu geblieben, wonach das Militär nur durch eine begrenzte und streng kontrollierte Form der Demokratie ersetzt werden kann, in der die Masse der Bevölkerung wenig zu sagen und vielmehr zuzuhören hat.

Und dennoch: das Ausmaß, in dem Big Brother Globo ein ganzes Land manipulieren kann, ist durchaus eine offene Frage. Präsident Collor, der 1989 Lula mit Globos Hilfe bei der Präsidentenwahl schlug, mußte nach massiven Demonstrationen im Land gehen, die weder TV Globo noch sonst eines der vielen Marinho-Medien stoppen konnte.

Und man muß auch sagen, daß das Hauptinstrument sozialer Kontrolle in Brasilien heute nicht so sehr Roberto Marinho selbst ist als die gesamte Heerschar aus Journalisten, Redakteuren, Reportern, Rundfunk- und Fernsehproduzenten und Künstlern, die in diesem System funktionieren und die es gewissermaßen überhaupt erst ausmachen. Bernardo Kucinski

Bernardo Kucinski lehrt Journalismus an der Universität von São Paulo, Brasilien.