Den Himmel regieren

Wird man über den Wolken demokratisch? Rupert Murdoch mit „Sky“ gegen Diktatoren ...  ■ Von Christopher Hird

Es war im Banqueting House, Whitehall, London, am 1. September 1993. 300 Menschen aus Politik und Medien des Landes hatten sich versammelt, um zu essen, zu trinken und Rupert Murdoch zu lauschen, dem wenn nicht allergrößten, dann doch allerbekanntesten Medienzaren der Welt. Obwohl die Kosten des Abends beträchtlich waren – man sprach von 1 Million Pfund Sterling – war der Gastgeber „entspannt“ (die Times, die er besitzt), „selbstbewußt“ (die Financial Times, die er einmal zu kaufen versuchte) und „in Siegerlaune und voll Biß“ (der Independent, den er durch einen Preiskrieg zu zerstören hoffte).

Murdoch war selbstbewußt, weil er sein Familienunternehmen „News Corporation“ innerhalb von drei Jahren vor dem drohenden Bankrott gerettet hatte. Er war „voll Biß“, weil er so vielen seiner Gegner erfolgreich eine lange Nase gedreht hatte, und er war entspannt, weil er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Er mischte sich unter seine Gäste, und die Kabinettsminister, Zeitungsbesitzer, Chefredakteure und Fernsehgewaltigen hingen an seinen Lippen mit der gleichen Faszination, mit der sie soeben seiner Rede gelauscht hatten. Murdoch stellte das neue Programm seines britischen Satellitenfernsehsenders vor. Die Sendungen selbst machten, ehrlich gesagt, so viel nicht her. Zum größten Teil waren es Wiederholungen älterer Filme und Fernsehserien – nirgendwo ein Zeichen innovativer Programmideen. Und die Feierei war in Relation zur Größe des Geschäfts – nur 15 Prozent aller britischen Haushalte hatten eine Parabolantenne – auch reichlich übertrieben.

Dennoch war Murdoch ein Mann, dem zuzuhören sich lohnte. Er hatte den größten Teil seines Imperiums mit dem europäischen Satellitenprogramm aufs Spiel gesetzt. Und er hatte sich für weitere 525 Millionen US-Dollar ins asiatische Satellitenfernsehen eingekauft. Theoretisch hatte er damit Zugang zu mehr als zwei Dritteln der Menschheit. Und dieser Zugang war frei von den nervenaufreibenden Regulationsfesseln, die einem von Regierungen so gerne angelegt werden.

In seiner Rede hatte Murdoch dieses Thema angesprochen. „Die Technologie galoppiert über die alte Regulationsmaschinerie hinweg“, hatte er gesagt. Und er hatte solche Entwicklungen in einem sehr freundlichen Licht erscheinen lassen. Die Revolution der Telekommunikation stelle eine Bedrohung totalitärer Regime dar und erlaube den „informationshungrigen Bewohnern mancher geschlossenen Gesellschaft, das staatlich kontrollierte Fernsehen links liegenzulassen“. Damit war, so Murdoch, der Konsument per Satellitenfernsehen am Drücker.

Vielleicht hat sich der eine oder andere von seinen Gästen von der unfreiwilligen Komik dieser Sätze merkwürdig berührt gefühlt. Murdoch ist ein Mann, der Interesse an der Macht hat, an der Macht der Medien, die Welt zu verändern. „Das ist doch schließlich der ganze Witz, oder?“ hat er einmal gesagt. „Ein bißchen Macht zu haben.“ Und bei anderer Gelegenheit bekannte er: „Ein Monopol ist etwas Schreckliches – bis man es selber hat.“

Und wohin man in der Welt auch sieht, liegt das Satellitenfernsehen in den Händen einiger weniger Unternehmer, in Großbritannien zum Beispiel nur einem ... Was dieses Fernsehen an Programmen zu bieten hat, spiegelt die Vorlieben der Eigentümer, und deren Vorlieben ergeben sich aus dem großen Medienbesitz, der bereits in ihren Händen versammelt ist und den sie wieder und wieder an den Mann und die Frau bringen müssen, damit sich die Investition am Ende gelohnt hat. In beredter Weise machte Murdoch das einmal in einer seiner eigenen Zeitungen selbst deutlich, als es um einen möglichen Pornokanal ging. Murdoch: „Das werde ich nicht zulassen.“ Diese von vielen als lobenswert eingeschätzte Haltung verdeckte die weniger angenehme Komponente seiner Aussage, daß auch hier nicht der Zuschauer die Wahl hatte, sondern Murdoch. Wenig später hat er an dem Film „Death Warrant“, in dem viele Varianten von Gewalt – und reichlich – zu sehen sind, offenbar nichts einzuwenden gehabt.

Und was die weitergehende Verpflichtung betraf, mit der Murdoch sein Eigentum in der Medienindustrie verwaltete: dafür brauchten sich seine Banqueting-Hall- Gäste am nächsten Morgen nur an den Kiosk zu begeben. Sein Zeitungsflaggschiff, die Times, hatte soeben ihren Preis von 45 auf 30 Pence [von etwa 1,13 auf 0,75 DM] gesenkt, wodurch die bereits beim alten Preis massiven Verluste nur noch größer wurden, die Konkurrenz aber möglicherweise tödlich getroffen werden konnte.

Damals wurde der niedrige Preis gerechtfertigt mit dem Argument, daß die britischen Zeitungen in Zeiten ökonomischer Rezession einfach zu teuer seien. Den meisten Kommentatoren war jedoch klar, daß Murdochs News Corporation, im Gegensatz zum finanziell sehr viel schwächeren Konkurrenten Independent, die Verluste wegstecken konnte. Der stellvertretende Vorsitzende des Medienausschusses der konservativen Parlamentsfraktion, Peter Bottomley, kommentierte damals bissig: „In der Regel würde man eine Zeitung, die Verluste einbringt, teurer machen, um den Gewinn zu erhöhen, und nicht billiger, um die Konkurrenz zu vernichten.“

Aber Murdoch hatte mehr im Auge als nur den Independent. Seiner Meinung nach hatte Großbritannien, gemessen an internationalen Standards, zu viele landesweit vertriebene Zeitungen. Er sah mit Hoffnung dem Tag entgegen, an dem er nur noch einen Konkurrenten zu fürchten hatte: den Daily Telegraph.

Die Manager desselben begriffen das nur allzugut, zumal die Times 1993 und 1994 mit aggressiven Methoden in ihrer Redaktion Abwerbungsversuche unternommen und damit Erfolg gehabt hatte. Im Gegensatz zum Independent war der Telegraph als Tochter einer größeren Mediengruppe in der Lage, mit gleichen Mitteln zurückzuschlagen und zum Beispiel den Preis zu senken.

Einige Monate lang sah man untätig zu. Anfang dieses Jahres aber geschah gleich zweierlei: Der Independent wurde von der „Mirror Newspaper Group“ aufgekauft und damit gerettet, und der Durchschnittsverkauf des Telegraph fiel zum erstenmal seit 40 Jahren unter eine Million. Murdoch beschloß daraufhin, den Preis der Times auf 20 Pence [etwa 0,50 DM] zu senken. Der Telegraph mußte jetzt handeln und senkte seinen Preis ebenfalls. [Die Preise zur Zeit: Times 20 Pence, Independent 30, Daily Telegraph 30, Guardian 45.] Der Verfall der Preise kostet die Unternehmen zig Millionen Pfund Sterling Einkommen pro Jahr.

Und obwohl das auch und vor allem auf Murdoch zutrifft, ist er derjenige, der es sich leisten kann – weil die vielen anderen Unternehmen seines weltweiten Medienbesitzes gute Gewinne machen. Seine Konkurrenten auf dem britischen Zeitungsmarkt können nur hoffen,

Fortsetzung nächste Seite

Fortsetzung

daß er sich trotz allem doch massiv verkalkuliert hat, vor allem bei seinen höchst ambitionierten Plänen fürs Satellitenfernsehen. Dafür nämlich hat er eine Leidenschaft, die ihn schon einmal fast in den Bankrott gestürzt hat.

Einer der Höhepunkte des Murdoch-Abends im Banqueting House im September 1993 war der Auftritt des Science-fiction- Schriftstellers und Unterwasserforschers Arthur C. Clarke: ein Interview per Satellit. Clarke hat früher als alle anderen die Möglichkeiten des Satellitenfernsehens geahnt. Schon 1945 sprach er davon, daß ein Satellit, der 23.300 Meilen über dem Erdboben schwebt, Signale von einem Erdsender aufnehmen und an einen anderen abgeben könnte. Er sah die Technologie voraus, die nationale Grenzen nicht mehr achten müßte. Innerhalb der nächsten 30 Jahre entwickelten sich die Dinge schneller, als selbst Clarke vorausgesehen hatte. 1970 kommunizierten bereits 170 Länder per Satellit miteinander; allerdings waren die Parabolantennen, die man für den Empfang der Signale brauchte, so riesig, daß die Vorstellung, man könne sie für normale Haushalte zum Fernsehempfang nutzen, lächerlich erschien. Innerhalb weniger Jahre jedoch gelang es, nicht nur die Größe, sondern auch die Kosten der „Schüsseln“ enorm zu reduzieren. Die Möglichkeit direkter Sendung per Satellit (DBS) war plötzlich Realität geworden. Und eines der ersten Unternehmen, das sich daran versuchte, war Murdochs News Corporation.

1983 investierte Murdoch in ein US-Satellitengeschäft, das 30 Millionen Haushalte ohne Kabelanschluß zu Satellitenkunden machen sollte. Das Unternehmen wurde zu einer Katastrophe, die ihn 20 Millionen Dollar kostete: Man hatte sowohl den Widerstand gegenüber den immer noch recht großen Antennen als auch die Konkurrenzfähigkeit der großen Fernsehanstalten, die auch nicht per Kabel sendeten, unterschätzt. Selbst heute empfangen nur wenige Amerikaner ihre Programme per Satellit.

Eine wichtige Differenz mußte hier zur Kenntnis genommen werden, nämlich die zwischen der Technologie am Himmel und dem Vertriebssystem am Boden. Als Satelliten noch teuer waren, waren die Antennen so riesig, daß nur Regierungen und multinationale Konzerne sie bezahlen und benutzen konnten. Zwar hat die Entwicklung es jedem Haushalt ermöglicht, Signale von Satelliten zu empfangen – aber ob und wie viele Haushalte das überhaupt wollen, hängt ganz entscheidend von den bereits existierenden Fernsehgewohnheiten ab und von den Regulationen in den jeweiligen Ländern.

In den USA ist die Treue zu den (vier) großen Sendern (von denen inzwischen einer Murdoch gehört) sehr groß, und der Prozentsatz verkabelter Haushalte ist ebenfalls hoch. Hinzu kommt, daß die Regulation in den USA einiges, was sonst für die kapitalistische Medienentwicklung typisch ist, verhindert hat. So wurden zum Beispiel Konzentration und vertikale Integration verhindert. Kurz gesagt: Die Zuschauer in den USA haben wenig Gründe, sich eine Satellitenantenne zu kaufen, woraus folgt, daß auch die Satellitenfernsehgesellschaften keine Möglichkeiten haben, mit billigen Eigenprodukten die etablierte Konkurrenz aus dem Rennen zu werfen. Das heißt natürlich nicht, daß Satellitenfernsehen dort keinerlei Einfluß hat. Der enorm erfolgreiche Sender CNN braucht Satelliten, um seine Nachrichten und Bilder aus aller Welt zu empfangen. Sobald die Worte und Bilder jedoch in den USA sind, werden sie den Zuschauern per Kabel zugetragen. Deshalb sind für den hoffnungsvollen Satellitenbetreiber eher die Märkte interessant, die entweder noch unreguliert oder televisionär unterentwickelt – oder beides – sind. Nachdem sich Murdoch 1983 in den USA geschlagen geben mußte, erschien Europa der vielversprechendste Markt. Als die europäischen Regierungen 1977 nämlich erkannt hatten, welche Möglichkeiten in der Satellitentechnologie stecken, teilten sie die existierenden Frequenzen untereinander auf. Sechs Jahre lang versuchte der britische Gesetzgeber nun geduldig, diese Vereinbarung in Kraft zu setzen und das Recht zur Betreibung eines Satellitenprogramms an ein britisches Unternehmen zu vergeben. Im Rückblick muß dieser Akt als letzter Regulationsversuch einer Ära gesehen werden, in der Regierungen lukrative Monopole zu verteilen gewohnt waren.

Das BSB-Konsortium bestand aus einigen großen Alten des britischen Rundfunks und Fernsehens und einem französischen Partner; sie vertrauten darauf, daß die Thatcher-Regierung ihnen genug Zeit geben würde, auf daß die Investition sich lohne.

Aber Satellitenprojekte funktionieren nicht wie gewöhnliche Fernsehprojekte. Wie Murdoch selbst einmal gesagt hatte: Zum guten Schluß marschiert die Technologie an Politikern und Regulatoren vorbei. Nach einem kurzen Flirt mit dem offiziellen Weg beschloß Murdoch, sein eigenes Ding zu drehen. Luxemburg hatte sich an der europäischen Vereinbarung nicht beteiligt und seinen eigenen Satelliten gestartet. Murdoch mietete sich auf ihm einen Platz und ging mit seinem „Sky“-Sender noch vor BSB auf Sendung. Das Risiko, das er damit einging, war extrem hoch, und er setzte mehrere Millionen Pfund auf diese eine Karte. Angesichts des wenig später drohenden Bankrotts war er dann am Ende gezwungen, sich mit BSB zusammenzutun – denn auch BSB allein hatte seinen Anteilseignern mehr graue Haare als alles andere eingebracht.

Wiederum im Rückblick ist auch das britische Abenteuer für Murdoch nur ein Nebenschauplatz. Ganz Europa ist noch ein eher abwartender Markt, der zunächst noch längere Zeit beobachtet werden muß. Obwohl Murdochs Satellitenfernsehsender „Sky-News“ – CNNs größter Konkurrent – in 33 europäischen Ländern zu empfangen ist, sehen ihn bisher vergleichsweise nur wenig Zuschauer. Die meisten Satellitenprogramme müssen vom Zuschauer bezahlt werden und finanzieren sich nicht durch Werbeeinnahmen. In Europa ist man jedoch mit einem extrem preiswerten Fernsehen großgeworden, das sich aus Regierungsgeldern und Werbeinnahmen mischfinanziert hat. Und deshalb sehen viele Leute nicht ein, warum man so viel Geld für Satellitenfernsehprogramme zahlen soll.

Murdochs Strategie, sich populäre Sportsendungen und -übertragungen zu sichern, zielt auf die Herstellung eines konkurrenzlosen Produkts, für das der begeisterte Zuschauer dann doch ins Portemonnaie zu greifen gewillt ist. Murdochs Zeitungen unterstützen ihn, indem ihre Leitartikel und Kommentare das Prinzip der Fernseh- und Rundfunkgebühren angreifen, das gefälligst durch ein „Wer sieht, der zahlt“-Prinzip flächendeckend ersetzt werden soll; damit höhlt er den Grund aus, auf dem seine Hauptkonkurrenten stehen. In Europa existiert heute technologisch schon die Möglichkeit, eine fast unbegrenzte Anzahl von Fernsehsendungen in die Wohnzimmer zu bringen, das heißt all die in den amerikanischen Film- und Fernsehproduktionsstätten hergestellten Filme und Serien einer zusätzlichen Verwertung zuzuführen. Das Satellitenfernsehen ist nur einer von vielen Wegen, auf dem das geschehen kann, aber zur Zeit ist das breite Publikum noch zu sehr an die alten Systeme gewöhnt. Vorausrechnungen zufolge werden am Ende dieses Jahrhunderts die Hälfte aller westeuropäischen Haushalte eine „Schüssel“ haben – ob das jedoch je wirklich eintreten wird, wer kann das schon sagen ... Wer heute den Empfang eines Satellitenprogramms in Europa abonniert, wird im Prinzip nur mit einer endlosen Menge alter britischer und amerikanischer Sendungen und Filme gefüttert. Das Satellitenfernsehen hat noch nicht das Stadium erreicht, in dem es durch Massen von Zuschauern massenhafte Gewinne erwirtschaftet und in neue Programme investieren kann, die wiederum Massen von Zuschauern anziehen. Das lukrative Geschäft der Satellitengiganten liegt heute daher woanders.

„Star-TV“ ist eine in Hongkong ansässige Fernsehgesellschaft, die von einem der ältesten Handelshäuser, Hutchinson Whampoa, und Hongkongs reichstem Tycoon, Li Ka-shing, gegründet und finanziert wurde. Ihre explizite Strategie ist, „den Himmel zu regieren“ in einem Gebiet, das von Japan bis in die Türkei reicht, vor allem die dazwischen liegenden gigantischen Märkte Indiens und Chinas beherrscht. Zur Zeit sendet Star-TV auf fünf freien Kanälen – einer davon ist BBC-News – und wird durch Werbeeinnahmen finanziert. Anders als der Westen versprechen diese Gebiete den neuen Fernsehpionieren sehr viel. In nicht wenigen dieser Länder hat der größte Teil der Bevölkerung keinen Fernseher, und die, die einen haben, können auf ihm meist nur ein staatlich kontrolliertes Programme empfangen. Das Satellitenfernsehen bringt diesen Ländern Serien wie „Nachbarn“, die offenherzigen Debatten der „Oprah Winfrey Show“ und einen beständigen Strom von Filmen in Hindi, Chinesisch und anderen Sprachen der Region. Ein westlicher Beobachter, der aus Indien zurückkam, sagte, daß es ihm vorkäme, als ob dort die fünfziger, sechziger und neunziger Jahre alle zur gleichen Zeit stattfänden. Das Satellitenfernsehen bringt die sexuelle Revolution in die Wohnzimmer. Das politische Establishment der meisten betroffenen Staaten ist davon nicht besonders erbaut. In Indien beklagte Natwar Singh, Vizevorsitzender des Indira Ghandi Memorial Trust, die Tatsache, daß das „Satellitenfernsehen unsere Gelassenheit zerstört hat, unsere Stille und unsere Privatheit“; er schimpfte darüber, daß die Kinder weniger lesen, mehr fernsehen und zu dick dabei werden. In Malaysia, das ausländische Beteiligung an seinen Fernsehgesellschaften verbietet, hat der Premierminister behauptet, ausländische Interessen, die sich in den Satellitenfernsehnachrichten durchsetzen, verdrehten die Berichterstattung. Und in China kann der Besitz einer Parabolantenne zu Geldstrafen oder sogar Haft führen.

All das ist Ausdruck der Sorge, daß vor allem westliches Geld und westliche Programme in den Satellitengesellschaften massiv präsent sind. Star-TVs einziger Konkurrent ist zur Zeit die Gesellschaft „Television Broadcast“ (im Besitz des malaysischen Geschäftsmannes Robert Kwok und von Sir Run Run Shaw), das Sendungen von Ted Turners „Cartoon Network“, „Time-Warner“ und „Discovery Network“ übertragen wird. Seit letztem August gehören 64 Prozent von Star-TV dem allgegenwärtigen Rupert Murdoch.

Im Moment gibt es eine Art Waffenstillstand zwischen den Satellitengesellschaften und den Regierungen der Länder, in die sie senden wollen. Alle westlichen Investoren haben inzwischen begriffen, daß sie Partner in den Regionen selbst – sozusagen am Boden – brauchen, um mit den regionalen Vorschriften fertig zu werden. Murdochs News Corporation hat dem malaysischen Premierminister versichert, daß man nichts Böses wolle. Eine Sprecherin der Gesellschaft sicherte ihm einen Service zu, „den die Regierungen der Region sowohl loyal als auch nützlich“ finden werden – was ein etwas merkwürdiges Licht wirft auf Murdochs Behauptung, daß der Satellit der Feind autoritärer Regierungen sei. Star-TV befindet sich in Gesprächen mit der chinesischen Regierung über das Verbot von Parabolantennen. Murdoch hat guten Zugang zu den Regierenden, da sein Fox-Studio kürzlich einen Vertrag mit der Regierung über die Lieferung von Filmen unterschrieb.

Wenn die Technologie, wie Murdoch behauptet, sich an den Politikern vorbeischmuggeln kann, warum sind die Gesellschaften dann so besorgt um gute Kontakte zu ihnen? Die brutale Tatsache ist, daß das Geschäft mit den Satellitenprogrammen immer noch ein Unternehmen mit hohem finanziellem Risiko ist und die Gesellschaften die Regierungen brauchen, damit sie Profite machen können. Bis jetzt waren die Programme von Star-TV kostenlos und wurden meist nicht per Antenne, sondern per Kabel in die Haushalte gebracht. In Indien kauft zum Beispiel oft der Laden an der Ecke eine Antenne und verbindet dann mehrere Häuser per Kabel miteinander, wobei die so Verkabelten an den Ladenbesitzer 5 US-Dollar pro Monat für seine Dienste zahlen. Auf diese Weise verbreitet sich aber vor allem das Kabel in den städtischen Gebieten mit enormer Gschwindigkeit.

Solche Zustände machen den Anbietern Probleme. Zum einen ist da die Tatsache, daß sie tatsächlich keine Möglichkeiten haben, ihr Publikum zu messen, also keine Einschaltquoten haben, die sie aber irgendwann brauchen werden, wenn sie Werbezeit verkaufen wollen. Zum anderen aber benötigen sie für die zukünftig nicht mehr kostenlosen Programme ein gründlich reguliertes Kabelnetz oder direkte Übertragungsmöglichkeiten in die Wohnzimmer. Für beides brauchen sie die Mitarbeit der Regierungen. Auch im Westen haben die Anbieter schon die Erfahrung gemacht, daß die Decoder von Piratenunternehmen hergestellt werden, die sie dadurch um Einnahmen bringen. Solche Geschäftemacherei unterderhand wird noch schwerer zu verhindern sein, wenn es um 40 Länder geht, die oft nur dünn besiedelt und ohne die technische Infrastruktur sind, die das Geschäft mit dem Satellitenfernsehen voraussetzt.

An diesem Punkt fließen unternehmerische und politische Interessen zusammen. Die Chinesen haben etwas gegen die Antennen, weil schwer zu kontrollieren ist, was durch sie an Nachrichten ins Land fließt. Ihnen ist das Kabelsytem lieber. Und die Strategie von „Television Broadcasting“ für ihre bezahlten Kanäle geht von einer Verteilung durch Kabel aus.

Die Satellitenfernsehunternehmen möchten sich die Regierungen aus einem weiteren Grund gewogen halten: Mindestens zwölf regionale Satelliten sollen in den nächsten zwei Jahren hochgeschossen werden, das heißt, daß Star-TV und Television Broadcasting bald Konkurrenz kriegen. Entgegen der herrschenden Rhetorik ist Konkurrenz jedoch im Kapitalismus nicht so recht beliebt. Eines der zentralen Paradoxe ist, daß jedes Unternehmen nur durch Risiken überleben kann, dann jedoch immer versuchen wird, alle Risiken auf immer auszuschalten. Wie jedes andere Unternehmen strebt auch das Satellitenfernsehen nach Marktdominanz. Daß die Medien durch die Politik kontrolliert werden, soll daher möglichst dazu benutzt werden, den Risikofaktor der ganzen Sache kleiner zu halten.

All das zusammengenommen sollte uns vorsichtig machen gegenüber der Behauptung von politisch befreienden Möglichkeiten des Satellitenfernsehens. Zwar gibt es keine Zweifel an der technischen Kapazität, ein und dieselbe frohe Botschaft in Millionen von Wohnzimmer weltweit übertragen zu können. Aber nicht alle Zuschauer wollen die gleiche Botschaft, und solange Werbekunden Massen von Zuschauern erreichen wollen beziehungsweise die Zuschauer ihre Programme bezahlen müssen, wird dies eine Fessel des Wachstums beiben. Sowohl in den USA als auch in Europa zeigt sich, daß Zuschauer neue, im eigenen Land produzierte Sendungen am liebsten sehen, während es für den Satellitenfernsehbetreiber vor allem am billigsten ist, Regierungsauflagen zu umgehen, solange die von ihm „besendete“ Bevölkerung Zugang zu Parabolantennen hat. Insofern fahren Regierungen, denen an einer Eindämmung der monopolistischen Tendenzen von Satellitenbetreibern gelegen ist, am besten damit, diese beiden Faktoren zu verbinden: landeseigene Programmproduktion und Pluralität der Anbieter zu fördern und die Kosten des Anschlusses an Satellitenübertragungen gering zu halten. Mit anderen Worten: Das Gegenteil von dem, was Murdoch behauptet, ist wahr. Satelliten und Diktaturen sind natürliche Alliierte. Und es ist der regulative Rahmen liberaler Demokratien, den er so oft lächerlich zu machen versucht, der überhaupt erst Differenzierung und Pluralität in Rundfunk und Fernsehen möglich macht.

Christopher Hird ist unabhängiger Fernsehproduzent, besonders für Dokumentationen. Sein Buch „Murdoch, the Great Escape“ erschien 1991 bei Warner.