Flugeisen und Fritten

Familiäre Atmosphäre und kulinarische Köstlichkeiten bei der Weltmeisterschaft im Hufeisenwurf, die diesmal in Belgien stattfand  ■ Von Bettina Meinecke

Fontaine l'Evêque (taz) – Die alte Fabrikhalle ist von Rauchschwaden und Frittenduft durchzogen. Indezente Country-Musik und lautstarke Debatten untermalen das Klirren der Wurfgeschosse, während als Cowboys verkleidete Kellnerinnen und Kellner literweise Bier an Gäste und Wettkämpfer verteilen. Die erste Weltmeisterschaft im Hufeisenwerfen ist im vollen Gange.

Diese uramerikanische Sportart wurde vor sieben Jahren für Europa neu erfunden und zunächst in Italien eingeführt von Salsi Luigi Vasco. Allerdings ohne daß er selbst viel geworfen hätte. Den Pensionär mit dem Aussehen eines Inspektor Columbo (inklusive Mantel), nebenbei Musiker und Maler, treibt die Vision eines weltumspannenden Netzes von Freundschaften. Zu diesem Zweck nahm er etwas hierzulande Unbekanntes und erfand auch gleich selber die Regeln dazu.

Gespielt wird auf Filzbahnen, an deren Ende ein Metallstab von 30 cm Höhe angebracht ist. Dieser muß aus einer Entfernung von 6,5 Metern getroffen werden, um Punkte zu erzielen. Wie viele Punkte, hängt von der Lage des Hufeisens ab: um die Stange gelegt zählt 20, in einem kleineren Innenfeld (50x50 cm) 7, im größeren Außenfeld 3 Punkte. Seit seiner „Erfindung“ 1987 breitet sich das Spiel unaufhaltsam aus. in Italien gibt es bereits 60 Vereine, in Belgien etwa 20, in Frankreich etliche, und auch in Schweden und Polen wurden die ersten Funktionäre gesichtet.

Luigis Traum verwirklicht sich: Man trifft sich jedes Jahr bei internationalen Wettkämpfen, zahlreiche Pokale werden möglichst gleichmäßig verteilt, es wird auf Schultern geklopft, auf Wangen geküßt, geredet, und das Ganze zum Schluß mit einem großen gemeinsamen Gelage gefeiert und – natürlich – reichlich begossen. Die Atmosphäre ist familiär, der Empfang herzlich, das Essen reichlich. Diesmal, die Fédération Belge de Horse Shoe (FBHS) hatte geladen, war jede Mahlzeit von den unvermeidlichen und köstlichen Fritten begleitet, dem belgischen Nationalgericht. Gleich wannenweise wurden die Kartoffeln gestanzt und in einer extra angemieteten Frittenbude verarbeitet.

Das hochrangige Ereignis fand, von der Welt fast unbeachtet, in Fontaine l'Evêque statt, einem unscheinbaren Vorort von Charleroi. Dort hatte der lokale Verein in unnachahmlicher Verquickung von Sportsgeist, Sponsorship und Kommunalpolitik (die Wahlen finden in der kommenden Woche statt) ein kulturelles Angebot aus dem Boden gestampft, das dank der zusätzlichen kulinarischen und musikalischen Genüsse (Live- Band) um die fünfhundert Besucher aus der Region anzog. In der mit Sponsorenfähnchen, Nationalflaggen und Styroporkakteen liebevoll dekorierten Halle traten außer dem belgischen Team Polen, Deutschland, Schweden, Frankreich und Italien gegeneinander an. Mittels eines komplizierten und langwierigen K.o.-Systems wurden die drei Sieger ermittelt: Giuliano di Nicola (Belgien), Sgotto Silvestro (Italien) und Giuseppe Bruno (Belgien).

Bei den in der belgischen Mannschaft dominant vertretenen Italo- Belgiern kann wohl jahrelange Erfahrung im belgischen Volkssport „Pétanque“ vorausgesetzt werden. Der glückliche Gewinner der Meisterschaft hatte angeblich das Eisen erst wenige Tage zuvor zum ersten Mal in die Hand genommen. Dennoch ging keine Mannschaft ohne Trophäe heim. Selbst der letzte, sechste Platz wurde für die untrainierten deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einem geschmackvollen Gegenstand für die Vitrine vergoldet. Und einen Pokal für die Freundschaft gab's noch obendrein.

In Deutschland harrt der erste „Verein zur Förderung des Hufeisenwerfens“ noch seiner Gründung. Dabei ist dies eine wirklich umweltfreundliche, unkomplizierte und gesellige Sportart, die nichts als ein paar Eisen, einen Stock und ein Stück Rasen braucht. Italienischkenntnisse für die Wettkämpfe sind nützlich, aber nicht notwendig. Und schon kann's losgehen. Zum Beispiel, wenn beim nächsten Familienkaffeeklatsch der Bauch voll und alles Wichtige gesagt ist. Wie wär's?

I.F.H.S.P.A. International Federation Horse Shoe Pitchers Association Via Nicolo d'Aste 36/4 16149 Genova Sampirdarena

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