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Jude und Ceaușescu-Kollaborateur

Rumäniens Nationalisten lehnen die Ernennung des neuen US-Botschafters in Bukarest ab / Dieser habe mit Ceaușescu über die Ausreise der rumänischen Juden verhandelt  ■ Aus Bukarest Keno Verseck

Anders als allen seinen osteuropäischen Kollegen war es Rumäniens Staatspräsident Ion Iliescu bisher nicht vergönnt, von einem US-Präsidenten im Weißen Haus empfangen zu werden. Iliescus Hoffnung erfüllte sich auch diesmal nicht: Am Sonntag zur UNO- Tagung nach New York gereist, mußte er sich dort am Montag mit einem kurzen Small talk bei Bill Clinton zufrieden geben. Das Weiße Haus darf er zwar besichtigen – aber ohne Clinton.

Bis ein amerikanischer Präsident Iliescu die ersehnte Anerkennung gewährt, wird wohl noch geraume Zeit vergehen. Iliescu hängt immer noch an, daß er im Sommer 1990 Tausende Bergarbeiter in die Hauptstadt Bukarest rufen ließ. Die prügelten dort unbequeme Studenten zu Tode, weil diese friedlich gegen Iliescus Regime demonstriert hatten.

Was die amerikanisch-rumänischen Beziehungen außerdem beeinträchtigt, brachte vor kurzem Alfred Moses, künftiger US-Botschafter in Bukarest, auf den Nenner: zu zögerliche ökonomische Reformen, fehlende Rechte für die nationalen und ethnischen Minderheiten sowie die Allianz von Iliescus regierender „Partei der sozialen Demokratie“ (PDSR) mit drei kleinen extremistischen, antisemitischen und ultranationalistischen Parteien.

Die Wirkung von Moses' Rede ließ nicht lange auf sich warten. Zwei Tage bevor Iliescu nach New York abreiste, löste sie in Rumänien einen „einmaligen Skandal in unserer Diplomatiegeschichte aus“, wie das Außenministerium kommentierte. Die ultranationalistische „Partei der nationalen Einheit Rumäniens“ (PUNR), seit Mitte August mit vier Ministern in der Regierung vertreten, protestierte in einer Resolution an den amerikanischen Senat gegen die Ernennung des neuen Botschafters – nachdem Bukarest sie bereits gebilligt hatte.

Ceaușescus „nützliche Juden“

PUNR-Chef Gheorghe Funar, drei weitere Parteiführer und mehrere Parlamentarier warfen Moses vor, das Regime des Diktators Ceaușescu unterstützt zu haben, was ihn als Botschafter disqualifiziere. Als „Kollaborateur“ sei er so in Rumänien „nicht willkommen“. In Wirklichkeit hatte Moses nichts anderes getan, als in den 70er und 80er Jahren mit Ceaușescu über die Ausreise von rumänischen Juden zu verhandeln. Im Gegenzug für den „Verkauf seiner nützlichen Juden“, wie der Diktator gerne scherzte, gewährten die USA Rumänien Kredite und die Meistbegünstigungsklausel.

Nicht nur das rumänische Außenministerium protestierte scharf gegen die Kollaborateur-Resolution. Auch hohe Würdenträger aus Iliescus regierender PDSR beeilten sich, die Vorwürfe der mit ihr alliierten PUNR als „unverantwortlich“ zu verdammen, um das Treffen Iliescu-Clinton nicht zu gefährden. Kein Wort der Kritik war dagegen über den hinter nationalen Phrasen versteckten Antisemitismus zu hören. In dem Schreiben an den US-Senat wird mehrfach erwähnt, Moses habe die „amerikanischen Behörden über die Politik des Diktators getäuscht“ und stehe der „wahrhaften Freundschaft des rumänischen und amerikanischen Volkes im Wege“. Ausdrücklich als „Jude“ bezeichnet wird der Botschafter dagegen nicht.

Die Rückkehr der Genossen

Auch die Behauptung in der Resolution, Rumänien sei „eines der wenigen Länder in Osteuropa, in dem die Kommunisten nicht an die Macht zurückgekehrt“ seien, löste kaum Reaktionen aus. Dabei waren ihrerseits fast alle Unterzeichner der Resolution ehemalige KP- Mitglieder. Mehr noch: PUNR- Chef Funar, das rumänische Pendant zu Rußlands Ultranationalist Schirinowski, lehrte in den 80er Jahren an der Uni Klausenburg Marxismus-Leninismus. Die früheren Lobreden des PUNR-Vizes Ioan Gavra auf Ceaușescu füllen ganze Bände. Und auch Iliescu und die Führung seiner „Partei der sozialen Demokratie“ waren Teil der kommunistischen Nomenklatura.

Nur Tage bevor die nationalistische PUNR ihr Schreiben veröffentlichte, bewies Iliescu seine Verbundenheit mit den alten Genossen. Er begnadigte zwei Mitglieder aus Ceaușescus Politbüro, nachdem sie ihre 14- bzw. 15jährige Gefängnisstrafe wegen schweren Mordes nur zu einem Drittel abgesessen hatten. Auch fast alle anderen nach dem Sturz Ceaușescus verurteilten Kommunisten und Angehörigen der berüchtigten Geheimpolizei Securitate sind mittlerweile freigekommen. Dem Securitate-General Iulian Vlad etwa wurde Haftunfähigkeit bescheinigt, Ceaușescus Sohn Nicu mit gefälschten ärztlichen Gutachten auf freien Fuß gesetzt.

Andere Prozesse, wie der gegen Armeeoffiziere aus Temesvar, die dort im Dezember 1989 unter der Bevölkerung Massaker anrichteten, haben gar nicht erst begonnen oder werden verzögert. Und die unter dem Namen „Rumänischer Informationsdienst“ weiterarbeitende Securitate macht sich derweil in einem vom Parlament gebilligten Bericht über die Opfer von Temesvar lustig: Ungarische und sowjetische Agenten hätten die Bevölkerung damals aufgehetzt und ihr Drogen verabreicht.

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