Angst vor der Mafia

■ Im Prozeß gegen einen 52jährigen Tschechen wegen Autoschieberei hat der Hauptzeuge Redehemmungen

„Ich sag' überhaupt nichts!“ Der eigens aus einer sächsischen Strafanstalt nach Berlin transportierte Zeuge blieb stur. Der Richter zitierte das Polizeiprotokoll, um ihn daran zu erinnern, was er damals bei seiner Vernehmung ausgesagt hatte. „Das sage ich heute nicht mehr!“ erwiderte der Zeuge und beschränkte sich von da an auf sporadisches Schulterzucken. Lediglich auf die Frage, ob er Angst habe, antwortete der Zeuge: „Mit Sicherheit!“ Vor wem, wollte er nicht sagen.

Beim gestrigen Prozeß gegen einen 52jährigen Deutschen tschechischer Abstammung vor der 17. Großen Strafkammer, dem die Staatsanwaltschaft Hehlerei und Beihilfe zum Diebstahl in mehreren Fällen vorwirft, genügte jedoch die Aussage des geständigen Angeklagten. Franz S., ein eher zierliches Männchen mit weit in den Nacken reichender Stirnglatze, soll laut Anklageschrift seit 1991 in der Stadt Teplice in Tschechien ein Im- und Exportgeschäft für Autoersatzteile aufgebaut haben, um die Ersatzteile im ehemaligen Ostblock zu vertreiben. Im Zuge seiner geschäftlichen Tätigkeit habe er eine Reihe von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus Albanien kennengelernt, die sich hauptsächlich mit dem Verschieben deutscher Fahrzeuge ins osteuropäische Ausland befaßt hätten. Durch diese habe er auch selbst entwendete Fahrzeuge beschaffen können. Die Anklage wirft ihm weiter vor, daß er schließlich auch als Fahrer Pkws nach Rußland und Polen verbracht haben soll, um sich so eine erhebliche Einnahmequelle zu schaffen. Die achtzehn Pkws, die teilweise gestohlen oder bei Autovermietungen mit falschen Papieren erschlichen worden waren, haben insgesamt einen Wert von rund 450.000 Mark.

Ein unter polizeilichem Schutz stehender Zeuge, der, von zwei Zivilbeamten eskortiert, im Gerichtssaal erschienen war, entlastete den Angeklagten insoweit, als daß er diesen lediglich als Helfershelfer ohne großen Einfluß schilderte. Dieser Zeuge, der selbst eine mehr als vierjährige Haftstrafe in einer nicht genannten Justizvollzugsanstalt verbüßt, bestätigte die Brutalität der Autoschieberbande. Um ihn zu beeindrucken und ihn einzuschüchtern, erzählte er vor Gericht, habe der Anführer der Bande ihn in einer Discothek gebeten, auf eine beliebige Person zu deuten. Daraufhin sei der Unbeteiligte von den Schlägern des Anführers grundlos zusammengeschlagen worden.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft gibt es Querverbindungen zwischen diesem und einem parallel laufenden Autoschieberprozeß vor der 25. Großen Strafkammer gegen insgesamt elf Männer, die der gewerbsmäßigen Hehlerei beschuldigt werden. Am vergangenen Dienstag waren dort bereits zwei minder belastete Angeklagte mit jeweils drei Jahren Gefängnis bestraft worden. Das Verfahren wird dem Bereich der Organisierten Kriminalität zugerechnet. Der Staatsanwalt gegenüber der taz: „Franz S. ist keiner von den ganz Harten. Er hat vor der Polizei ausgesagt und will die Sache hinter sich bringen.“

Das Gericht verurteilte Franz S. gestern zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren unter Einbeziehung einer fünfmonatigen Strafe vom Schöffengericht Landshut. Peter Lerch