Richter: Brandzeitpunkt „unser großes Problem“

■ Im Solinger Mordprozeß spielen Brandsachverständige eine zentrale Rolle

Düsseldorf (taz) – Am Ende des Gutachtens von Dr. van Bebber, Brandsachverständiger des Bundeskriminalamtes, steht dieser apodiktische Satz: „Eine zeitliche Abschätzung oder Eingrenzung der Brandentstehung sowie der weiteren Brandausbreitung ist nicht möglich.“ Wenn dem tatsächlich so wäre, dann hinge die zeitliche Fixierung der Solinger Brandstiftung allein von den Aussagen der Überlebenden und der Nachbarn ab. Ein BKA-Verdikt, gegen das sich die Verteidigung von Felix K. und Christian B. mit immer neuen Beweisanträgen stemmt. Zunächst beantragte Verteidiger Georg Greeven die Beiziehung des international bekannten Brandexperten Ernst Achilles als weiteren Sachverständigen und die Rekonstruktion des Brandes am Institut für Brandschutztechnik an der Universität Karlsruhe. Mit den Beweisanträgen wollte der Anwalt „den naturwissenschaftlichen Beweis dafür antreten, daß der folgenschwere Brand ... zu einem Zeitpunkt gelegt worden sein muß, zu dem nach dem Vorwurf der Anklage drei der Angeklagten noch kilometerweit vom Tatort entfernt waren“. Der Sachverständige werde darlegen, daß der von der Feuerwehr um 1.47 Uhr vorgefundene Brandzustand „eine Vorbrennzeit von mindestens 20 Minuten voraussetzt“ – selbst bei Verwendung eines Brandbeschleunigers.

Nun, dieser Beweisantrag wurde vom Gericht mit der Begründung abgelehnt, die bisher bestellten Brandgutachter van Bebber und Paul Corall seien nach eigenem Bekunden in der Lage, zu allen aufgeworfenen Fragestellungen Stellung zu nehmen. BKA- Gutachter van Bebber teilte sogleich erneut schriftlich mit, „daß eine zuverlässige und objektiv reproduzierbare zeitliche Eingrenzung des betreffenden Brandverlaufes weder aufgrund theoretischer Berechnungen noch nach Durchführung von praktischen Versuchen möglich ist.“

Ernst Achilles sitzt trotzdem seit einigen Tagen auf der Sachverständigenbank im Gerichtssaal. Anwalt Greeven hat auf die Ablehnung der Beweisanträge schnell reagiert und Achilles als Zeugen benannt. Die erheblichen Unsicherheiten über den Brandlegungszeitpunkt plagen auch den Senatsvorsitzenden Wolfgang Steffen: „Das ist hier unser großes Problem: Wann es angefangen hat zu brennen.“ Auch über den Brandablauf gibt es Streit. Daß überhaupt Benzin oder Brennspiritus als Brandbeschleuniger benutzt wurde, legen die Brandgutachten von van Bebber und Corall zwar nahe, der wissenschaftlich zweifelsfreie Beweis fehlt indes. Daß im Fußbodenbereich des Windfangs festgestellte Brandspurenbild lasse zwar auf den Einsatz von „brandfördernden Flüssigkeiten schließen“, schreibt van Bebber, aber nur dann, „wenn keine anderen plausiblen Erklärungen möglich sind“. Solche „Erklärungen“ sieht van Bebber nicht.

Im Innenbereich des Hauses, in unmittelbarer Nähe des Hauseingangs, hatte Gutachter Corall Spuren von „Terpentinöl“ und „Vergaserkraftstoff“ festgestellt. Weil die terpentinähnlichen Substanzen in der BP-Tankstelle, die die Angeklagten laut Gartmann-Geständnis während der Nacht aufgesucht haben, gar nicht geführt wurden, war dieser Befund in den Medien im Vorfeld des Prozesses zunächst als Entlastungsindiz gewertet worden. Inzwischen scheint die Herkunft dieser Substanzen aber weitgehend geklärt. Nach Auffassung beider Gutachter spricht viel dafür, daß die Terpentinölspuren aus den Trümmern des auf den Brandherd eingestürzten Badezimmers herrühren.

Der wissenschaftliche Streit über den Brandverlauf steht dem Gericht noch bevor. Zur Zeit ist noch offen, ob die genannten Gutachter dabei die Klingen kreuzen werden. Über Befangenheitsanträge gegen van Bebber und Achilles muß der Senat noch entscheiden. Die Verteidigung will den BKA-Experten nicht, die Nebenkläger halten Achilles für befangen.