Zwei Großmächte für Groß-Serbien

■ USA und Rußland wollen Kontaktgruppen-Friedensplan zugunsten der bosnischen Serben verändern / Resolution zu Waffenembargo Anfang November

Genf (taz) – Bosniens Präsident Alija Izetbegović hat vor der UNO-Vollversammlung sechs Bedingungen genannt, unter denen seine Regierung nicht mehr auf einer unmittelbaren Aufhebung des Waffembargos besteht. So forderte er die „Umsetzung“ aller Bosnien-Resolutionen, die Sicherheitsrat und Vollversammlung der UNO seit Kriegsbeginn im April 1992 beschlossen haben. Außerdem müsse der Sicherheitsrat die bisherigen sechs UNO-Schutzzonen „erweitern und verschärfte Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung beschließen“. Um die „Strangulierung“ Sarajevos zu beenden, soll entlang der in das nördlich gelegene Tuzla führenden Straße eine 2,5 Kilometer breite demilitarisierte Zone hergestellt werden, in der sich nur Unprofor-Truppen aufhalten dürfen.

Izetbegović verlangte zudem „Maßnahmen zur effektiven Überwachung“ der Grenze zwischen Serbien/Montenegro und Bosnien, „mit denen der Transport von Truppen, Waffen und militärischer Ausrüstung rechtzeitig entdeckt und verhindert werden kann“. Im Falle derartiger Transporte solle die letzte Woche erfolgte Lockerung der Wirtschaftssanktionen gegen Serbien „sofort“ rückgängig gemacht werden. Weitere Lockererungsbeschlüsse sollten „erst erfolgen, nachdem Bosnien und Kroatien in ihren derzeitigen internationalen Grenzen von Serbien/ Montenegro anerkannt werden“.

Zumindest dieser letzten Forderung schloß sich US-Außenminister Warren Christopher am Dienstag abend nach einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Jelzin an. Gleichzeitig haben die USA jedoch in der Kontaktgruppe inzwischen einem Vorschlag Rußlands und Großbritanniens zugestimmt, den bisherigen Teilungsplan zugunsten der bosnischen Serben zu verändern. So soll diesen die Möglichkeit zu einer Konföderation mit Rest-Jugoslawien eingeräumt werden. Diplomatische Beobachter aus einem Kontaktgruppenland gehen davon aus, daß dies auf die endgültige Abspaltung des serbischen Teils Bosniens hinauslaufen wird.

US-Außenminister Christopher erklärte, wenn die bosnischen Serben dem Teilungsplan der Kontaktgruppe nicht bis zum 15. Oktober zustimmen, werde die Clinton- Administration „Anfang November“ im UNO-Sicherheitsrat eine Resolution zur Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnische Regierung beantragen. In Kraft treten soll die Aufhebung allerdings erst in sechs Monaten, Anfang April 1994.

Bei schweren Angriffen serbischer Truppen in Nordbosnien sowie auf die ostbosnischen Muslimenklaven Goražde und Srebrenica (beide UNO-Schutzzonen) wurden am Mittwoch zahlreiche Zivilisten getötet und schwer verwundet.

Wegen militärischer Drohungen des Serbengenerals Radko Mladić führt das UNHCR weiterhin weder Hilfsflüge noch humanitäre Transporte auf dem Landweg durch. Mit einer Wiederaufnahme der Lieferungen, von denen über 800.000 eingeschlossene Zivilisten abhängig sind, ist nach Auskunft des UNHCR zumindest in dieser Woche nicht mehr zu rechnen. Wegen der Blockade durch serbische Truppen ist die Treibstoffversorgung der Unprofor-Soldaten zunehmend gefährdet. Nach Auskunft eines Unprofor-Sprechers verlangen die Serben seit Dienstag von jeder Treibstofflieferung für die Unprofor ein Drittel als „Wegzoll“.

Eine Verbesserung der Situation zeichnete sich dagegen gestern in Sarajevo ab. Erstmals seit zwei Wochen fuhr die Straßenbahn wieder, die Inbetriebnahme dieser Ost-West-Verbindung ermöglichte die Wiederherstellung der Stromversorgung durch die bosnischen Serben. Der Druck in den Gasleitungen stieg an, so daß nun auch private Haushalte versorgt werden können. Gleichzeitig wird jedoch an allen Fronten der Stadt weiterhin geschossen. Die UNO registrierte innerhalb von 24 Stunden 1.500 „Zwischenfälle“. Weiterhin unterbrochen ist auch die Luftbrücke in die bosnische Hauptstadt. Sie kann voraussichtlich erst am Montag wiederhergestellt werden. Andreas Zumach