"Tango" tanzt nicht

■ Nach der ersten Nummer am besten gleich wieder zuklappen

Da hatten wir uns doch auf etwas Derbes gefaßt gemacht. Von Hans-Hermann Tiedje, dem Mann, der bei Bild immer für deftige Schlagzeilen gut war. Der sich gern mit dem Image des Rambo umgibt. Der Energieprotz, der schon vor Erscheinen der ersten Nummer einen Teil der Redaktion wieder feuerte. Eine „Info-Illustrierte“ wollte er aus dem Boden stampfen, „die keine Verwandtschaft mit Stern, Bunte oder Focus hat“. Und dann diese Mischung aus eben jenen drei. Nur hat Focus wenigstens noch News. Bei Tiedje heißt es zwar gleich „Top News“, aber Nachrichtenwert hat keine von ihnen.

Da hat einer von seinen Reportern fünf Minuten bei Ex-Präsident Jimmy Carters Pressegespräch mitgelauscht und verkündet „exklusiv das Protokoll der geheimen Verhandlungen“ – auf dreißig Zeilen. Endlich erfahren wir, daß Frauen die Geschichte machen. Jimmy Carter: „Ich folgte dem Vorschlag meiner Frau“ – nämlich lieber gleich mit der Frau des haitianischen Diktators Cedras zu verhandeln (und das war erfolgreich).

Deutschlands Kanzlergattin erscheint unter „Top News“ mit einer rührigen Geschichte über ihre Flucht 1945 („In Hannelore Kohl gibt es keine Ablehnung mehr, keine Wut. In Hannelore Kohl gibt es die Erinnerung. Und die Hoffnung für die Zukunft...“)

Und womit wird aufgemacht? „Der Fall Steffi Graf“ – was für eine begnadete Schlagzeile. „Der Fall“ besteht denn auch aus Rückenschmerzen, dem kranken Vater und vage angedeuteten Problemen mit dem Freund.

Auch eine Enthüllungsstory darf in der ersten Nummer nicht fehlen. In acht Tagen langer Gespräche ließen sich Tango-Redakteure von Alexander Schalck-Golodkowski erzählen, „wie er der deutschen Einheit den Weg bereitete“. Jetzt wissen wir: Die Geschichte muß umgeschrieben werden. Franz Josef Strauß gelang es, „den hellen Kopf der DDR umzudrehen“. Schalck – so macht uns Tango glauben – war ein „Überläufer im Geiste“, einer, dessen Büro und Wohnung schließlich sogar von der Stasi abgehört wurden. Jedenfall einer von uns, der jetzt endlich bekennen darf, daß er kurz davorstand, sich mit Strauß zu umarmen.

Die Welt ist gut, oder jedenfalls die Menschen. Schalck arbeitete auf die deutsche Vereinigung hin, die Gysis sind (auch wenn den Lesern unterschwellig Distanz zum Beziehungschaos im „roten Clan“ beigebracht wird) „eine schrecklich nette Familie“, und Chefredakteur Tiedje erklärt uns im Editorial, daß er ja auch „ein gutgelauntes Blatt“ machen will.

Gute Laune sollen auch die vielen kleinen Fotos machen. Mehr Masse als Klasse. Eher wie die Bunte kommt sie daher (Bild und Text vielleicht etwas moderner kombiniert), der Stern braucht die Konkurrenz der neuen „Infoillustrierten“ kaum zu fürchten. Von „Info“ ist nicht viel zu sehen, kein Thema, das nicht schon woanders abgehandelt worden wäre. Und von der „Illustrierten“ bleibt der Eindruck des Beliebigen. „Ohne Weltschmerz und Betroffenheit, aber engagiert und auf einer Position der Vernunft“ will Tiedje uns die Welt beibringen. Aber etwas zündender und aktueller dürfte es doch bitte sein.

Vor wenigen Tagen hat Tiedje bekannt, er würde gerne noch einmal ein Konkurrenzblatt zu Bild entwickeln. Nach der ersten Nummer von Tango gönnt man ihm eher den verdienten Ruhestand. Michael Rediske