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■ Das PortraitChiune Sugihara

Sein Name könnte heute so berühmt sein wie der des Deutschen Schindler. Doch kaum ein Japaner kennt die Geschichte des 1986 verstorbenen Chiune Sugihara, der achttausend Juden das Leben gerettet hat: Als junger japanischer Konsul in Litauen hatte Sugihara 1940 den Flüchtlingen handschriftlich und gegen den Befehl des Tokioter Außenministeriums japanische Transit-Visa ausgestellt. Über Litauen versuchten sich damals zahlreiche Menschen aus dem von Nazis besetzten Polen in Sicherheit zu bringen, von dort aus führte ihr einziger Fluchtweg durch Rußland und Japan.

Sugihara widersetzte sich damals nicht nur den Anweisungen der eigenen Regierung, sondern er mißachtete auch eine von Stalin nach der Annexion Litauens angeordnete Verfügung, daß alle ausländischen Diplomaten sofort das Land zu verlassen hätten.

Tag und Nacht tat der Karrierediplomat nichts anderes, als seine lebensrettende Unterschrift auf die Visa zu setzen – zwanzig Tage lang, bis ihn die sowjetischen Soldaten zur Abreise zwangen. Noch aus dem Fenster des anfahrenden Zuges reichte er die letzten Papiere.

Eine seit 1985 geplante US-japanische Verfilmung von Sugiharas Kriegsschicksal lehnten japanische Financiers bis heute stets mit dem Hinweis auf eventuelle arabische Boykottdrohungen ab. Obwohl die Menschen vor Monaten in Tokio zu Tausenden in die Kinos drängten, um sich „Schindlers Liste“ nicht entgehen zu lassen, wissen bis heute nur wenige Japaner von Sugiharas sogar noch längerer Liste.

Erst in diesem Frühjahr durfte Sugiharas achtzigjährige Witwe Yukiko zu ihrer Überraschung feststellen, daß ihr Mann zum ersten Mal in einem japanischen Schulbuch erwähnt worden war. Warum so spät? „Mein Mann hatte schließlich etwas getan, Japans Schindler

Foto: taz-Archiv

was die Regierung verboten hatte“, erklärte sich die Witwe bislang die Ignoranz ihrer Landsleute.

Tatsächlich kennt die Witwe, die selbst ein Buch über die vergessenen Heldentaten ihres Mannes verfaßt hat, den Verlorenen vornehmlich als Elektrowaren- Vertreter, der er nach dem Krieg war. 1947 hatte ihm das Außenministerium seinen Austritt aus dem Diplomatenberuf nahegelegt – womöglich gerade aufgrund seines lebensrettenden Einsatzes.

Bis heute weigert sich die japanische Regierung, über den damaligen Rücktritt Sugiharas genauere Auskunft zu geben. Georg Blume

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