■ Die Polizei ist nicht Spiegelbild der Gesellschaft
: Schläger in Uniform?

Fremdenfeindliche und rassistische Einstellungen, rechtsradikale bis rechtsextreme Denkweisen bei der Polizei werden gerne mit der Aussage, die Polizei sei Spiegelbild der Gesellschaft, verharmlost. Doch tatsächlich ist die Polizei kein gesellschaftliches Spiegelbild, sondern lediglich Teil dieser Gesellschaft. Innerhalb der Polizei gibt es nämlich kaum AusländerInnen, es herrscht nach wie vor eine Männerdominanz, und die soziale Struktur ist ebenfalls eine andere als in der übrigen Gesellschaft.

Obwohl es einige Verurteilungen von Polizeibeamten wegen Mißhandlungen in jüngster Vergangenheit gab, bleibt die überwiegende Zahl der Vorwürfe ohne juristisches Nachspiel. Dies hängt sicherlich auch mit fehlenden ZeugInnen zusammen. Auch Korpsgeist führt immer noch dazu, daß PolizeikollegInnen angeblich nichts gesehen und gehört haben. Und selbst wenn solche Übergriffe noch so zahlreich ans Licht der Öffentlichkeit kommen, sprechen verantwortliche Polizeichefs wie etwa der Hannoveraner Polizeipräsident Herbert Sander von Einzelfällen. Und immer wieder wird mit dem Argument beschwichtigt und abgewiegelt: „Die Polizei ist Spiegelbild der Gesellschaft.“

Hans-Helmut Kohl kommentierte in der Frankfurter Rundschau in diesem Zusammenhang ganz richtig: „Selbstverständlich muß die Polizei besser sein als die Gesellschaft, in deren Dienst sie steht, wacht sie doch über die Einhaltung der Regeln, die sich diese Gesellschaft in Form von Gesetzen für ihr Zusammenleben gegeben hat. Prügelnde Polizisten zerschlagen nicht nur Zähne oder Schlüsselbeine, sondern zugleich den Glauben an den Rechtsstaat.“

Ein Skandal wie in Hamburg offenbart aber gleichzeitig, in welch operative Hektik die politische Führung verfallen kann. Obwohl Kritiker behaupten, daß nicht alle 27 suspendierten Polizisten strafrechtlich zu belangen sind, wurde die Verwaltungsmaßnahme bis gestern aufrechterhalten. Tatsächlich lagen vier Tage nach dem Bekanntwerden des Skandals in nur vier Fällen konkrete Beschuldigungen vor. Ein derartiger Schnellschuß kann nach hinten losgehen, wenn die düpierten Polizisten wie jetzt als Sieger in den Dienst zurückkehren, weil ihnen nichts nachzuweisen ist oder weil sie schlichtweg unschuldig waren. Ein betroffener Polizeihauptkommissar prognostizierte, daß sich die Reihen „fester schließen“ werden.

Vielleicht ist ein derartiges Vorgehen aber auch politisch gewollt, denn dort, wo alle mit dem entsprechenden Insiderwissen zu Betroffenen werden, gibt es möglicherweise keine Zeugen, die einen noch größeren politischen Skandal heraufbeschwören könnten. Präventiv kann sich konsequentes Durchgreifen jedoch nur auswirken, wenn bei einem Anfangsverdacht konkret ermittelt und bei vorhandenen Beweisen entsprechend durchgegriffen wird. Damit hatte der zurückgetretene Hamburger Innensenator jedoch von jeher seine Schwierigkeiten. Fünf Jahre nach dem Hamburger Kessel wurden vier verantwortliche Polizeiführer wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung zu Geldbußen verurteilt. Zwei der Verurteilten waren mittlerweile in Pension, die anderen beiden durften weiterhin Karriere machen: Heinz Krappen wurde zum Landespolizeidirektor und Klaus Rürup zum Leiter der Polizeidirektion Ost befördert. Sie hatten das volle Vertrauen des Innensenators. Daß ein derartiger Umgang mit gerichtlich festgestelltem Fehlverhalten auch Auswirkungen bei den übrigen Hamburger PolizistInnen hat, dürfte klar sein.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß insbesondere PolizistInnen mit einer rechtskonservativen, an Law and order orientierten Einstellung zu Übergriffen neigen. Betroffen sind dementsprechend vorwiegend AusländerInnen, sozial Schwächere und andere Randgruppen. Schon das Duzen von AusländerInnen gibt einen Hinweis darauf, daß PolizistInnen von einer Minderwertigkeit dieser Menschen ausgehen.

Die rheinland-pfälzische Verwaltungsfachhochschule in Koblenz führte eine Befragung bei 500 PolizeibeamtInnen durch. 62 Prozent der Befragten bejahten die Frage, ob sie eine Einstellung von AusländerInnen bei der Polizei als problematisch ansehen würden. Rund 65 Prozent bezeichneten Asylbewerber als eine „soziale Bedrohung“. 77 Prozent beklagten mangelhafte Informationen über das Thema fremdenfeindliche Straftaten in der Aus- und Fortbildung.

Die faktische Abschaffung des Asylrechts, die Verschärfung des Ausländerrechts, die generelle Durchführung erkennungsdienstlicher Behandlungen bei Asylbewerbern, das Beschwören einer angeblich überdurchschnittlich vorhandenen „Ausländerkriminalität“, Razzien in Flüchtlingswohnheimen und auf Baustellen bestärken PolizistInnen in ihrem Denken von minderwertigen AusländerInnen. Eine überwiegend einseitige Ausbildung, die wenig vom Umgang mit Menschen, von Konflikt- und Streßbewältigung lehrt sowie die Polizeigeschichte fast völlig außer acht läßt, ein in dem Polizeiapparat seit Jahren überliefertes Allgemeinverhalten von PolizistInnen führt bei zu vielen PolizeibeamtInnen zu Sympathien gegenüber rechten Parteien, die schließlich zu einer aktiven Politisierung in diesen rechten Parteien führen können. Internen Umfragen zufolge sympathisieren 15 bis 17 Prozent der PolizeibeamtInnen mit Rechtsaußenparteien.

Die Polizei ist nicht rassistisch, nicht fremdenfeindlich und nicht rechts. Sie ist aber auch nicht demokratisch, und hier gilt es anzusetzen. Es nutzt wenig, PolizistInnen, die den Reps angehören, aus dem Dienst zu entfernen, wenn gleichzeitig eine zumindest rechtskonservative Einstellung bei zu vielen PolizistInnen vorherrscht, ohne daß sie Parteimitglieder wären. Die vorhandenen hierarchischen Strukturen fördern nicht nur solch eine Einstellung, sie sorgen auch für eine große Berufsunzufriedenheit. Deshalb ist der Abbau der Hierarchie zwingend. Es kann nicht von Nutzen sein, wenn in einer sechzigköpfigen Dienststelle acht Führungsbeamte „herrschen“. Immer noch durchlaufen PolizistInnen eine Ausbildung, die in erster Linie auf Gehorsam ausgelegt ist, auswendig gelerntes Wissen abverlangt und wenig selbständiges und kritisches Arbeiten lehrt. Die Polizeischulen müssen geöffnet werden. Die Ausbildung ist extern zu verlagern. Kontakte mit anderen gesellschaftlichen Strömungen, Bürgerrechtsbewegungen und multikulturellen Organisationen sind verstärkt zuzulassen. AusländerInnen als BeamtInnen werden die Polizei in jeder Hinsicht bereichern.

Der gesellschaftliche Weitblick der PolizeibeamtInnen muß geöffnet werden. Wenn die Polizei im Denken der PolizeibeamtInnen mit rechter Einstellung keine Veränderung hervorrufen kann, wird sie genausowenig in der Lage sein, den demokratischen Rechtsstaat zu schützen, wie dies die Polizei der Weimarer Republik nicht verstand. Die Geschichte ist dazu da, daß man aus ihr lernt. Jürgen Korell

im Vorstand der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten und Polizistinnen“