Verdächtiger auf freiem Fuß

Die Hintergründe des Herforder Brandanschlags sind weiterhin ungeklärt / Einer der Festgenommenen mußte wieder auf freien Fuß gesetzt werden / Dringender Tatverdacht fehlte  ■ Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) –Die Herforder Polizei hat noch am Mittwoch abend einen der zwei türkischen Männer, die wegen einer möglichen Beteiligung an dem mörderischen Brandanschlag auf ein Flüchtlingslager zuvor in Hamburg festgenommen worden waren, wieder freigelassen. Der Mann sei aus „der Sache völlig raus“, sagte der Sprecher der Karlsruher Bundesanwaltschaft (BAW), Rolf Hannich. Ob sich die Verdachtsmomente gegen den zweiten Mann gestern erhärtet haben, war bis zum Redaktionsschluß nicht zu erfahren.

Viel Zeit blieb den Ermittlungsbehörden nicht mehr zur Vorlage stichhaltiger Beweise. Die von der Strafprozeßordnung vorgegebene Frist zur Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges ohne Haftbefehl lief um Mitternacht ab. Bis dahin mußte der Verdächtige entweder dem Ermittlungsrichter vorgeführt oder ebenfalls freigelassen werden. Für die Ausstellung eines Haftbefehls durch einen Ermittlungsrichter müssen gewichtige Verdachtsmomente vorliegen, die einen „dringenden Tatverdacht“ begründen. Nach einer AFP-Meldung schloß Generalbundesanwalt Kay Nehm am Mittwoch einen fremdenfeindlichen Hintergrund des Anschlages „zu 99 Prozent aus“. Sein Sprecher Hannich äußerte sich gegenüber der taz wesentlich zurückhaltender. „Wir haben im Zusammenhang mit den beiden vorläufigen Festnahmen noch nie von einem dringenden Tatverdacht gesprochen. Es wird nach wie vor in alle Richtungen ermittelt.“

Bei dem mit Benzin verübten Brandanschlag waren eine 23jährige Kosovo-Albanerin und ihr elfjähriger Bruder in der Nacht zum Dienstag ums Leben gekommen. Am Mittwoch abend hatten sich etwa 300 Menschen in der Herforder Innenstadt versammelt. Dabei forderte ein Pfarrer die Anwesenden auf, „über das Zusammenleben in dieser Stadt“ neu nachzudenken, auch wenn „wir alle erleichtert sind, daß es offenbar kein politischer Terroranschlag war“. Während die Christen sich anschließend zum öffentlichen Gebet versammelten, zogen rund 100 Jugendliche, angeführt von einer kleinen Gruppe Autonomer, durch die Straßen der 65.000 EInwohner zählenden ostwestfälischen Kleinstadt.

Von den ungeklärten Tathintergründen ließen sich die Autonomen dabei nicht irritieren. Ganz so, als sei ein rassistisches Tatmotiv schon erwiesen, skandierten sie trotz der ambivalenten Stimmung bei vielen Antirassisten an diesem Abend ihre Standardbotschaft: „Hinter dem Faschismus steht das Kapital, der Kampf für Befreiung ist international.“