„Manchmal brummt es hier“

■ Hamburger Schreibfrauen tippen, was das Zeug hält und formulieren die schönsten Bewerbungen Von Katrin Wienefeld

„Hallo, guten Tag, kommen Sie rein..., also, Sie brauchen ein Bewerbungsschreiben?“ Martha Strauch ist baff. Zuvorkommend wird sie ins Büro geleitet. Die geschäftstüchtige junge Frau nimmt ihr gegenüber Platz, zückt einen Stift und fragt routiniert weiter: „Wie heißen Sie..,Ihre Anschrift...,wie alt ist die Anzeige, auf die Sie sich bewerben..?“

Es sind Profis, bei denen Martha gelandet ist. „Schreibfrauen“ stand auf dem Zettel, den sie vom Sozi bekommen hat, ein ABM-Projekt in Harburg, bei dem sie kostenlos ihren Papierkram erledigen kann: das Stundungsschreiben für die HEW und ihre Bewerbung als Telefonistin. Martha besitzt keine Schreibmaschine und hat Angst vor dem Formulieren. Skeptisch ging sie zu den Schreiberinnen, mehr auf einen chaotischen Haufen oder auf Wartezeiten wie bei einer Behörde eingestellt.

Doch die 38jährige Polin Danuta Kurdziel, die sie begrüßte, ist voller Elan und mit Spaß dabei. Arbeitsamt und Sozialamt finanzieren die regulär einjährigen ABM-Stellen in den vier Hamburger Schreibfrauen-Büros, in denen jeweils bis zu 15 Frauen Deutsch, Gesprächsführung oder Bewerbungstraining lernen. Ihre frisch erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten setzen sie – in einem zweiten Ausbildungsschritt – für Menschen wie Martha Strauch ein. Ein ABM-Projekt, das die berühmten zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: Arbeitslose Frauen werden wieder ins (Büro-)Berufsleben eingegliedert, indem sie für Menschen den Papierkram erledigen, die sich dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlen.

In dem Gewusel und Stimmengewirr der Frauen, die sich gerade die Computerfunktionen erklären, überwiegen eindeutig die osteuropäischen Sprachen und Namen. Deutschlehrerin Hertha Metzel meint: „Seit der Wende kommen viele aus Polen und Rußland.“ Die Lehrerin spricht kein Polnisch, aber das stört nicht, denn die meisten Frauen bringen Deutsch-Kenntnisse mit. „Die Frauen lernen vor allem, sich abzugrenzen“, sagt Metzel, „hier kommen halt auch Kunden rein, denen es psychisch nicht gut geht“. Da ist die Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen wichtig. Bei rechtlichen Problemen wird an die öffentliche Rechtsauskunft delegiert, bei anderen Dingen ans Sozialamt. Dies wiederum schickt die meisten Kunden zu den Schreibfrauen.

„Manchmal brummt es hier, dann haben wir fünfzehn Kunden mit Bewerbungsanliegen hier“, erzählt Danuta, „ein Schreibauftrag dauert drei, manchmal auch sieben Tage“. Die neuen Frauen müssen erst mit den Raffinessen der ektrischen Schreibmaschinen und Computerprogrammen vertraut werden.

Vielfältige Aufgaben, die in kurzer Zeit erlernt werden. „Leider sind die Arbeitsaussichten zur Zeit schlecht, denn bei vielen Jobs für Frauen spielt das Alter eine große Rolle“, sagt Lehrerin Metzel. Die 34jährige Barbara Mumm meint trotzdem: „Ich fühle mich wohl hier“. Aus ihrem letzten Job als Frachtbriefbearbeiterin bei der Lufthansa ist sie wegen Stellenkürzungen entlassen worden.

Während sie mit einer Mitschülerin ihren Pausensalat ißt, sitzt Danuta Kurdziel schon wieder am Computer. Die Polin hat ihr Faible für Computer bei den Schreibfrauen entdeckt: „Am Anfang war ich hin- und hergerissen zwischen Anziehungskraft und Furcht“, erzählt sie lachend, „jetzt macht es mir total Spaß.“

Die Schreibfrauen tippen für alle Menschen mit geringem Einkommen und zwar in: Harburg, Kleiner Schippsee 5; Barmbek, Pestalozzistraße 28; Jenfeld, Rodigalle 305. Montag bis Donnerstag von 10 bis 15 Uhr. In Kirchdorf, Stübenhofer Weg 11, nur donnerstags.