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Kunst am Bahnhofsbau

■ Dreißig Bauarbeiter blicken vom Gerüst. Lebensgroß, nur an diesem Wochenende

Am Baukran hängt der Kranführer. Unweit von ihm baumeln „Ibrahim und sein Kumpel“ vom Rohbau des zukünftigen Nordausgangs des Hauptbahnhofs – eng beieinander, wie im wahren Leben. „Die beiden stecken doch immer zusammen“, feiern die Kollegen das Szenario fröhlich. Denn Fred, der Kranführer, und Ibrahim mit Kumpel, sind ja nur lebensgroße Fotografien. Poster, die noch bis zum Dienstag am Baugerüst zu sehen sind. Unter ihnen, in der Einfahrt, prosteten sich gestern die Originale zu. Sogar Bausenatorin Eva-Maria Lemke war zur Ausstellungseröffnung gekommen und versprach noch mehr Prominenz für den 3. Oktober.

„Kunst am Bau“ heißt die Fotografie-Ausstellung der IG Bau-Steine-Erden, die anläßlich ihres 125jährigen Bestehens in diesem Jahr gemacht wurde und nun hoch gehängt wird – ganz im Sinne der Bauarbeiter. „Unser Image ist doch allgemein schlecht“, sagen alle, die man fragt. Und schon deswegen haben sie vor der Linse des Fotografen und DGB-Kulturreferenten Manfred Weule „schier Schlange gestanden“: Auf die Säge gestützt der Zimmermann. Mit der Schaufel in der Hand der Praktikant. Oben wirft der Dachdecker einen kritischen Blick noch höher, dorthin, wo das Dach soll, nur der Architekt guckt noch skeptischer.

Dreißig Portraits hat Manfred Weule gemacht, bis Dienstag sind sie gemeinsam mit zwei historischen Reproduktionen von 1928 zu sehen. Der Meister und der Handlanger, damals von August Sander fotografiert. In der aktuellen Sammlung fehlen nur wenige Männer aus der Belegschaft. Die Flechter beispielsweise, die die Metallgerippe für die Betonflächen zusammenzurren. „Die tragende Seele“, sagt der dritte Polier Joachim Goesmann. „Aber nur wer wollte, wurde fotografiert“. Er selbst war kamerascheu – obwohl er das Projekt gut findet. Nur: „Ein bißchen mehr Bewegung hätte in den Bildern schon sein können“.

Das findet auch Walter Zachau, der erste Polier. Aber auch er war von Anfang an für die Ausstellung. „Man sieht uns ja sonst selten“, sagt er. „Außerdem haben viele Leute Vorurteile und glauben, auf dem Bau wird nur gesoffen. Aber wir sammeln nach den Wochendenen nur die Flaschen ein, die die Passanten über den Zaun werfen.“

Bevor es wieder soweit ist, wird der Einheits-Tag begangen. Deswegen soll Hassan richtig dicht machen, ordnet der Baustellenleiter an. „Sonst fehlen uns noch Steine“, sorgt er sich. Das Kongreßzentrum ist schließlich nahe.

Ursprünglich war die Eröffnung dieser ungewöhnlichen Ausstellung schon vor einem Monat geplant. „Aber es gab technische Probleme“ versichert Wolfgang Jägers, Geschäftsführer der IG Bau. „Naja“, nicken die Poliere, „Zufall“. Aber, „mal ehrlich“, ihnen hätten ein paar Kanzlerworte im Fernsehen gereicht. Eva Rhode

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