: Jagd auf Nintendo-Kids
■ In dieser Woche gehen zwei neue tägliche Jugendsendungen an den Start
Das deutsche Fernsehen träumt neuerdings den Traum von der ewigen Jugend. In dieser Woche laufen im Nachmittagsprogramm zwei neue tägliche Shows an, die für ihre Sender zum Jungbrunnen werden sollen: Das mit viel Vorab- Trara angekündigte „X-Base“ beim ZDF und „Cúlt“ bei Leo Kirchs Kabelkanal.
So unterschiedlich die beiden Sender auch sein mögen, beide haben dasselbe Problem: Ihre Zuschauer gelten bei der werbetreibenden Industrie als zu alt. Der Kabelkanal, bis vor kurzem nur ein Recyclingprogramm für Kirchs angejahrten Serien- und Spielfilmvorrat, versucht sich daher neuerdings als Sender für die „junge Familie“ zu profilieren. Denn diese Zielgruppe der 16- bis 39jährigen schätzen die Mediaplaner, die die Commercials im Fernsehprogramm plazieren, als konsumfreudig und leicht durch Werbung zu beeinflussen. In den ohnehin mäßig gefüllten Werbeblöcken des ZDF laufen fast nur noch Spots für typische Alten-Produkte: Verdauungsmittel, Magenbitter oder Reiniger für die dritten Zähne. Das hat dem ZDF im letzten Jahr dramatisch gesunkene Werbeeinnahmen beschert.
Während ZDF-Intendant Stolte bei jeder sich bietenden Gelegenheit danach fleht, endlich auch nach 20 Uhr Werbung zeigen zu dürfen, baut sein Unterhaltungschef Fred Kogel systematisch das Programm um, damit der Mainzer Sender das Image der Greisenstation los wird. Mit „X- Base“ sollen jetzt Nintendo-Kids geködert werden, die bisher bei der interaktiven Computer-Gameshow „Hugo“ des Kabelkanals mitdaddeln.
Im Vergleich mit dem simplen „Hugo“-Spielchen ist „X-Base“ in der Tat ein recht ausgeklügeltes Format. Produziert wird die Show bei der Hamburger Firma „Me, Myself & Eye“, von der nicht nur „Studio/Moor“ kommt, sondern die auch mit „Super!!!“ für Sat.1 erste Erfahrungen mit einer Computer-Show sammelte. „X-Base“ soll seine jungen Zuschauer in die Multimedia-Welt einführen: „Video- und Computerspiele, CD- Rom-Testecke, Cyberkunst, Videoarchiv“ verspricht das ZDF. Hinter dem Techno-Blabla verbirgt sich eine tägiche Live-Sendung mit zwei zielgruppengerechten Moderatoren: Tanja Moldehn (25), die bei einer Pressekonferenz auf der Musikmesse PopKomm allerdings noch etwas maulfaul wirkte. Und der eloquente 21jährige Nils Ruf, der als Pressesprecher von Nintendo beim ZDF für seine Spiele Reklame machen wollte und gleich einbehalten wurde.
Daß „X-Base“ zum Spielfeld für Product placement werden könnte, weist man beim ZDF allerdings von sich: Computerspiele kämen sowieso nur von zwei Herstellern, da würde keiner ungerecht bevorzugt. Aber nicht nur die Videospiel-Hersteller, sondern auch die Werber können sich freuen: „Direkt vor der Sendung“, heißt es in einer Info der ZDF-Marketingabteilung, „kann Werbung zum günstigen Tarif 2 (400 DM je Sekunde) plaziert werden“. Nicht umsonst heißt das Vorabendprogramm beim ZDF Werberahmenprogramm ...
Zu der Show will das ZDF einen „Computer Future Club“ einrichten, dessen Mitglieder CD-Roms mit den „neuesten Computer- Spielen und Produkten“ erhalten und die sich in jährlichen „Club- Galas“ in Grund und Boden spielen können. Seine Finger im (Video-)Spiel hat auch der Münchner Burda-Verlag (Focus, Forbes), der die Clubzeitschrift herausgibt.
Wesentlich einfacher gestrickt ist „Cúlt“, das zur selben Zeit beim Kabelkanal alles, „was Spaß bringt, was interessiert und fürs Leben wichtig ist“, verbreiten soll – für die kaufkräftige Zielgruppe zwischen 14 und 29, versteht sich. Auf der ersten Pressecassette war allerdings nur eine Ansammlung von Banalitäten zu sehen: Eine Wackelkamera filmt Jugendliche, die sich über ihren Traummann verbreiten, ein Fotograf erzählt ausführlich, wie man Fotograf wird, und alles sieht aus, wie von Videoamateuren aufgenommen. Einzige Innovation der Show: Der Bildschirm ist wie ein Computer- Menü gestaltet. Tilman Baumgärtel
„X-Base“ ab Montag, 3. Oktober, um 15.15 Uhr im ZDF; „Cúlt“ ab Dienstag, 4. Oktober, um 16.35 Uhr beim Kabelkanal
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen