Mehr tote Winkel

■ Postministerium will die Zustellpflicht für Massendrucksachen abschaffen

Berlin (taz) – Im nächsten Jahr will der deutsche Postminister den ehemals sozialistischen Teil des Landes auf „internationalen Standard“ angehoben haben. Dann seien 95 Prozent aller Haushalte auch dort mit Telefonanschluß ausgestattet, sagte Wolfgang Bötsch gestern in Berlin.

Nur kommen die Versandkataloge dann nicht mehr überall an, weder im Westen noch im Osten. Denn vielleicht ist die Post bald nicht mehr verpflichtet, auch Beidenfleth und Böswipper täglich anzusteuern. Zur Zeit wird im Postministerium an einer Musterlizenz für die Verteiler schwerer Massendrucksachen gearbeitet, die ab Anfang nächsten Jahres der Post Paroli bieten dürfen. Ende Oktober soll das Papier fertig sein.

„Auf jeden Fall wird es Chancengleichheit für die verschiedenen Wettbewerber geben“, kündigte Bötsch gestern in Berlin an. Damit die Post nicht durch ihre gesetzliche Pflicht, jeden Ort an jedem Werktag zu beliefern, im Nachteil sei, werde es entweder nur flächendeckende Lizenzen oder eine Befreiung der Post vom Lieferzwang geben. Damit werde verhindert werden, daß sich die Konkurrenten nur die Ballungsräume aussuchen und die Kataloge für abgelegene Kunden weiter zum Postamt tragen. Der CSU-Mann setzt auf den Markt: Nur wer täglich liefert, wird sich halten.

Auch bei den Telefonnetzen will Bötsch dem Monopolisten Telekom möglichst schnell Konkurrenz verschaffen. Es habe keinen Sinn, zum 1. Januar 1998 neue Telefonanbieter zuzulassen, wenn die dann weiter auf die Leitungen der Telekom angewiesen seien. „Das gibt nur Ärger“, prognostiziert der Postminister. Die neuen Unternehmen würden sich garantiert über zu hohe Kosten und zu schlechte Leitungen beschweren. Vor zwei Tagen einigten sich die EU-Wirtschafts- und Postminister in Brüssel grundsätzlich darauf, die Netzinfrastruktur zu liberalisieren. Spanien und Portugal aber haben sich noch Bedenkzeit ausbedungen, so daß die Verabschiedung eines konkreten Zeitplans am 17. November noch unsicher ist. „Sollte dies mit den EU-Partnern nicht durchzusetzen sein, erwäge ich einen deutschen Alleingang“, droht Bötsch. Annette Jensen