„Gegen zehn, elf schlendere ich zum Bäcker“

■ Siegfried Z. (51) ist Mitglied der Arbeitslosianer-Gruppe „Arbeitslose in Bewegung“

taz: Wie war das, als Sie nach Arbeitslosien eingewiesen wurden?

Siegfried Z.: Moment, Moment, ich bin freiwillig gegangen, 1990!

Wie bitte, Sie haben selbst gekündigt, mit 47 Jahren?

Ja, ich weiß, ich bin da eine Ausnahme. Aber in meinem Betrieb, wo ich Baumaschinen reparierte, fielen ständig Überstunden an. Das wurde mir zuviel.

Und jetzt, wie ist das Leben in Arbeitslosien, nach vier Jahren?

Naja, am Anfang war es ganz schön, die ersten paar Monate. So ein bißchen wie Urlaub, nach dem Streß vorher. Dann wurde es ein wenig langweilig, zugegeben. Jetzt gucke ich, was so bei Freunden zu machen ist, mal ein Auto reparieren, einem habe ich beim Hausbau geholfen.

Wann stehen Sie morgens auf?

(lacht) Heute schon um sechs in der Früh. Mein Auto stand nämlich im Halteverbot.

Was für'n Auto?

Ist ein alter Daimler 280, so'n durstiges Riesentier.

Sie kriegen Arbeitslosenhilfe und fahren einen Daimler?

Das ist ein uraltes Auto, habe ich mir selbst aufgebaut.

Was machen Sie denn sonst so den lieben langen Tag? Das Schlimmste in Arbeitslosien soll ja die Zeit sein, die für viele so langsam kriecht.

Na, morgens gegen zehn, elf, schlendere ich erst malzum Bäcker und trinke dort einen Café am Stehtisch. Da kann ich auch gleich umsonst in die Zeitung gucken. Dann gehe ich nach Hause, nehme vielleicht noch einen Tee und lasse alles ganz ruhig angehen. Am Nachmittag gehe ich dann zum Beispiel in die Stadtbibliothek. Gerade lese ich von Hoimar von Ditfurth: „Nun laßt uns ein Apfelbäumchen pflanzen“.

Ihnen geht es gut in Arbeitslosien, den meisten in Ihrer Lage aber nicht. Warum eigentlich? Erstens habe ich selbst gekündigt, bin also selbst hier eingestiegen. Außerdem komme ich mit dem Geld von der Arbeitslosenhilfe aus. Man muß sich einschränken, aber ich habe keine Familie.

Aber, wenn das alle so machen würden ...

Sollen sie ruhig. Ich bin ja nicht nur für ein Grundeinkommen, sondern auch dafür, daß die Arbeit besser verteilt wird. In meinem Job als Baumaschinenschlosser gab es keine Teilzeitstellen, immer nur Überstunden, Überstunden. Das nimmt doch den andern die Arbeit weg.