Der Währungsfonds ringt um Einfluß

■ IWF-Chef fordert Reformen / Entwicklungsgruppen verlangen mehr Transparenz der Entscheidungen

Madrid (taz) – Staudämme, Kohlekraftwerke, Kahlschläge und Millionen von Flüchtlingen: Die Weltbank selbst kann heute die Folgen mancher ihrer Kredite nicht übersehen. Sie will ihre Projekte jetzt besser überwachen, Belange des Umweltschutzes und die Meinung der Betroffenen einbeziehen. Nun sieht Michael Camdessus auch den Internationalen Währungsfonds an einem „Scheideweg“ und spricht gewichtig von „Reformen“ und „Visionen“. Er möchte den IWF herausführen aus der Ecke des bloßen Entwicklungsfinanziers, wo ihm die Weltbank ohnehin den Rang abläuft.

Zwei Vorhaben von Camdessus sind dafür kennzeichnend: zum einen die Ausgabe von neuen Sonderziehungsrechten, zum anderen eine stärkere Überwachung der Weltwirtschaft und -finanzen. Camdessus scheint gar die Einrichtung einer internationalen Bankenaufsicht unter dem Dach des IWF zu erwägen. Sein Mandat, die Währungspolitik aller Mitglieder zu begutachten, legt der Fonds immer weiter aus und beurteilt die gesamte Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten.

Doch gegenüber Industrieländern verfügt der IWF bislang über kein Druckmittel. Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer stellte klar: „Es ist wichtig, daß der Fonds nicht versucht, seine Rolle bei der Finanzierung zu übertreiben.“ Eine Weltzentralbank werde es genausowenig geben wie formelle währungspolitische Vereinbarungen oder SZR als hauptsächliche Devisenreserven. Zwar hätten sich auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Neapel die G7 geeinigt, „den wirtschaftlichen Überwachungsprozeß zu intensivieren“, rief der deutsche Finanzminister Theo Waigel in Erinnerung. In Madrid wolle er „auch den IWF bitten, uns dabei zu helfen, finanz- und währungspolitische Risiken auszumachen“. Der IWF darf helfen, handeln darf er nicht. Aber Reformwünsche auch aus Industrieländern gehen weit darüber hinaus. Einige Wirtschaftswissenschaftler monieren, daß das derzeitige internationale Währungssystem viel zu instabil sei. Heftige Wechselkursschwankungen zu verhindern, sei originäre Aufgabe des IWF. Manche halten sogenannte „Zielkorridore“ für wünschenswert. Durch internationale Vereinbarungen und offizielle Interventionsmechanismen sollten die Wechselkurse der Weltwährungen stabilisiert werden. Sogar die NGOs würden das Management des Währungssystems dem IWF gerne überlassen. Im Vergleich zu den G7 ist der IWF ein Hort der Demokratie, in dem die Länder des Südens immerhin bis zu einem gewissen Grad mitreden können. Doch die NGOs fordern vor allem Offenheit der Gremien und Entscheidungen. Unter Verschluß gehalten werden zum Beispiel noch immer die wirtschafts- und währungspolitischen Gutachten die der IWF über jedes Mitgliedsland erstellt. Dem Vernehmen nach enthalten sie oft genug drastische Kritik an Regierungen auch der Industrieländer.

Schlimmer ist, daß auch die Auflagen, die der IWF seinen Schuldnern macht, geheim sind. Bei den Verhandlungen werden meistens nicht einmal die Minister der Schuldnerländer einbezogen, die direkt von einem Anpassungsprogramm betroffen sind – Gesundheits- und Umweltminister vor allem. Marijke Torfs von „Friends of the Earth“ fordert, daß Industrieländer die IWF-Bewertung ihrer Wirtschafts- und Währungspolitik zumindest öffentlich machen müßten, und solche Vorwürfe finden heute auch in den USA Unterstützung. Der US- Kongreß beschloß, ein Viertel der 100 Millionen Dollar, die die USA für Strukturanpassungsprogramme in Entwicklungsländern einzahlen sollen, zurückzubehalten, bis „der IWF deutliche Fortschritte macht“ beim Zugang zu Informationen. Bundesbanksprecher Bernd Goos winkt ab: „Von den amerikanischen Vorstellungen halten wir nicht viel.“ Die US- amerikanische Exekutivdirektorin wundert sich über die forschen Auftritte der Deutschen. Erika Wagenhöfer vom Bundesfinanzministerium meint, wenn irgendwelche NGOs mehr wissen wollten, könnten sie sich ja an ihre Regierungen wenden. In der Währungspolitik könne man nur von den Deutschen lernen. Wenn sich nämlich jede Regierung um Stabilität bemühe, sei Koordination überflüssig. Nicola Liebert