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: Genügsames Schwimmen: "Wendezeit '89"

„Wendezeit '89“, Montag, 16.25 Uhr, ARD

Die „Vorbeben des politischen Zusammenbruchs“ der DDR wollte der ORB dokumentieren. Allerdings entsprach der Pilotfilm zur sich ab Donnerstag anschließenden Dokumentarserie kaum dem Pathos der Ankündigung. Die Bilder sind allzu bekannt, die Archive auf der Suche nach dem immergleichen Material längst geplündert worden. „Wendezeit '89“ gliedert „die Vorbeben“ chronologisch. Monat für Monat werden, beginnend mit dem Januar, signifikante Schnipsel hingeblättert: die restriktiven Reisebestimmungen der DDR. Leute in Zügen gen Westen, die Zurückbleibenden winken ihnen nach. Honeckers vielzitiertes Beschwören der Mauer. Frühjahrsmesse in Leipzig, die Montagsdemos. Kommunalwahlen und Wahlfälschung, Massenflucht über Ungarn, Genscher auf dem Balkon der Prager BRD-Botschaft, Kerzenwachen vor der Gethsemanekirche. Das ORB- Team montierte Amateurvideos von Bürgerrechtlern, Ausschnitte aus „Aktueller Kamera“ und „heute journal“, Aufnahmen vom Platz des Himmlischen Friedens und prügelnden Stasi-Männern in Leipzig, dazu ein Interview mit Katja Havemann zur Gründung des Neuen Forums. Was fehlt, sind inhaltliche Zäsuren, die Orientierung an einem Zentrum; was bleibt, ist der Eindruck eines genügsamen Schwimmens in der zeitlichen Abfolge.

Dennoch: Wieviel hat man inzwischen vergessen! Sei es die „Gruppe mündiger Bürger“ oder das Verbot des Neuen Forums am 22.September 1989, auch den weniger spektakulären Alltag, die maroden Städte, das Schlangestehen nach Pfirsichen. Das muß aufbewahrt, aber auch aufbereitet werden. Die Frage ist eben nur wie. Anke Westphal