"Finnegan's Wake" war Unsinn

■ Gespräch mit Roddy Doyle ("The Commitments") zu seinem neuen Roman "Paddy Clarke Ha Ha Ha"

Roddy Doyle feierte bislang seine größten Erfolge im Kino. Die Filme „The Commitments“ (Regie: Alan Parker) und „The Snapper“ (Regie: Stephen Frears) entstanden nach seinen Romanen. Im letzten Jahr wurde Roddy Doyle für sein neues Buch „Paddy Clarke Ha Ha Ha“ (besprochen in unserer gestrigen Literaturbeilage), das jetzt auch auf deutsch vorliegt, mit dem renommierten britischen Booker- Preis ausgezeichnet.

taz: Die meisten Autoren sind immer fürchterlich unglücklich, wenn ihre Bücher verfilmt werden. Sind Sie zufriedener?

Roddy Doyle: Eigentlich ja. Aber ich denke, ich habe Glück gehabt. Als ich mit „The Commitments“ anfing, wußte ich überhaupt nichts. Zum Beispiel hat mir keiner gesagt, daß außer mir noch zwei andere Autoren am Drehbuch sitzen. Zum Glück hat Alan Parker dann die Regie übernommen, der konnte entscheiden, daß die Rollen mit unbekannten Schauspielern besetzt werden, das war sehr wichtig für den Film. Hätten sie nach der Hollywood-Methode Michael J. Fox den Bandmanager Jimmy Rabbitte und Julia Roberts seine Freundin spielen lassen, der Film wäre tot gewesen. Beim nächsten Film „The Snapper“ habe ich darauf bestanden, viel mehr Kontrolle über die Produktion zu haben, z.B. den Produzenten auszuwählen, und nur die BBC war bereit, das zu akzeptieren. Mit der Verfilmung von „The Van“, an der ich jetzt arbeite, bin ich noch einen Schritt weiter gegangen – jetzt haben meine Produzentin Lynda Myers und ich unsere eigene Produktionsfirma gegründet. Und ich kann Ihnen versichern, daß die zwei Herren, die den Fish-&-Chips-Van betreiben, nicht von Mel Gibson und Kevin Costner gespielt werden.

Ihre ersten Bücher waren auch im Kino erfolgreich, jetzt haben Sie für „Paddy Clark Ha Ha Ha“ den britischen Booker-Preis bekommen. Der Roman erzählt aus der Sicht eines zehnjährigen, warum die Kinderperspektive?

Die ersten drei Bücher waren über diese eine Familie, die Rabbitts. Das waren fiktive Erzähler, das war nicht ich. Ich wollte eigentlich jetzt Schluß machen und etwas Neues ausprobieren, unter neuen Arbeitsvoraussetzungen arbeiten. Das war eine Herausforderung für mich, in die Vergangenheit zurückzugehen, weil in meinen Büchern der Dialog eine große Rolle spielt und es schwieriger ist, den Dialog in der Vergangenheit zu schreiben. Und zuletzt gab es einen literarischen Einfluß, ich hatte Richard Fords „Wildlife“ gelesen. Das handelt von einem 40jährigen, der sich daran erinnert, wie seine Eltern miteinander streiten. Außerdem wurde damals mein erster Sohn geboren. Als ich mir seine Zukunft vorzustellte, erinnerte ich mich an meine Vergangenheit. Der Roman spielt 1968 und erzählt von der Katastrophe im Leben eines Jungen: der Trennung seiner Eltern.

Sie sind 1958 geboren. Wieviel von Roddy Doyle ist in Paddy Clarke?

Es sind Erinnerungen drin, und ich schreibe nur über das, was ich kenne, aber es ist bestimmt nicht streng autobiographisch. Letzte Woche haben meine Eltern Goldene Hochzeit gefeiert. Ich war da, hab' sie gesehen. Er ist 71 und sie 69. Sie haben sich an den Händen gehalten und sahen eigentlich ganz glücklich aus. Sie haben sich gerade ein neues Bett bestellt.

Sind Ihre literarischen Vorbilder vorwiegend Iren?

Ich habe Richard Ford vorhin schon erwähnt. Eigentlich bin ich von den nordamerikanischen Schriftstellern sehr angetan. Die sind irgendwie ehrlich, manchmal vergißt man sogar, daß hinter den Charakteren brillante Schriftsteller stehen.

Man sagt ja, daß James Joyce einen mächtigen Schatten über die nachgeborenen irischen Schriftsteller wirft – aber ich muß sagen, sein Schatten fällt nicht auf mich. Wenn ich ehrlich bin, finde ich so ein Buch wie „Finnegan's Wake“ dann doch ziemlich verquasten Unsinn. „Portrait of the Artist“ und „Dubliners“ mag ich sehr gern. Wie alle anderen habe ich mich durch „Ulysses“ durchgequält. Es ist zwar schön geschrieben, aber man fragt sich manchmal, hätte er das nicht schlichter sagen können. Aber Flann O'Brien liebe ich, „At Swim-Two-Birds“ ist ein wunderbares Buch.

Wie reagiert das Publikum außerhalb Irlands, wie werden Sie bei diesen Lesereisen wahrgenommen?

Also das ist ziemlich verrückt. Zuletzt war ich in Japan, da kommt eine 50jährige Frau auf mich zu und sagt, sie hätte viel von sich in meinen Geschichten wiederentdeckt. Das gleiche sagte mir kurz darauf ein Schwarzer aus Amerika. Also obwohl ich mich in meinen Romanen auf diese zwei Quadratkilometer in Dublin beschränke, scheinen die Geschichten universal zu sein.

Also mit Roddy Doyle scheint es nur bergauf zu gehen, hagelt es ausschließlich Lob?

Eigentlich hab' ich in den letzten Jahren viel Glück gehabt, und das weiß ich zu schätzen. Seit dem Booker-Preis bin ich in Irland so etwas wie ein Heiliger geworden, und das ist natürlich Unsinn. Neulich wurde eine vierteilige Fernsehserie ausgestrahlt, die ich geschrieben hatte. Es gab einen Aufschrei im ganzen Land. Die Serie hieß „Family“. Nun ist ja Familie ein heiliges Wort in Irland, vielleicht muß man das so verstehen. In „Family“ wird in vier Folgen, aus vier verschiedenen Perspektiven, über das Familienleben berichtet: aus der Sicht des Vaters, des 13jährigen Sohnes, der 16jährigen Tochter und der Mutter. Es gibt ziemliche Probleme in der Familie, die Mutter hat ganz offensichtlich ein Alkoholproblem, und es geht um Gewalt in der Ehe. In den Tagen nach der Sendung bekam ich tatsächlich Morddrohungen, so pathetisch sich das anhört. Und dann bekam ich einen Anruf von einem Priester, der spuckte Gift und Galle, also ich war wirklich erstaunt. Und jede Menge hysterischer Telefonanrufe, auch bei meinen Eltern, und dann haben sich die Wogen langsam geglättet. Es stellte sich raus, daß nur 20 Prozent dagegen waren und 80 Prozent dafür. Wegen der Diskussion, die dann in Gang kam, hat es sich doch unbedingt gelohnt. Worauf ich besonders stolz bin: Es gab eine Gesetzeseingabe, die jetzt durch ist, daß Frauen, die nicht verheiratet sind und in Partnerschaften leben, die gleichen Rechte haben wie verheiratete Frauen.

Fühlen Sie sich jetzt irischer als vor zehn Jahren?

Na ja, Irland öffnet sich langsam zur EG hin, es ist nicht mehr alles so muffig, auch wenn das viele Iren vielleicht gar nicht beabsichtigen. Man konnte beim Worldcup in der Nationalmannschaft sehen, daß auch ein Schwarzer Ire sein kann – also diese bunte Mischung, die die irische Nationalmannschaft ausgemacht hat, hat uns gezeigt, daß Irischsein eine neue Identität bekommen hat. So eine übergreifende Nationalität hätte ich gerne für die Zukunft.

Wie sehen aus Dubliner Perspektive die jüngsten Veränderungen in Nordirland aus?

Ich muß zugeben, da bin ich noch sehr mißtrauisch. Es gibt einfach zu viele Leute, die ein Interesse daran haben, daß alles so bleibt, wie es ist. Das hat auch ökonomische Gründe. Die IRA und UVF haben seit Jahren Nordirland ganz freundschaftlich untereinander aufgeteilt. Das betrifft den Drogenhandel, Raubkopien von Videos und Schutzgelder für das Baugewerbe. Man trifft sich regelmäßig, teilt die Gebiete auf, begleicht Rechnungen miteinander, und wenn die eine Partei im Urlaub ist, treibt die andere die Gelder ein. Und das Schreckliche daran ist, daß der Schwarzmarkt in Nordirland viel besser funktioniert als die offizielle Wirtschaft.

Aber ich glaube bestimmt, wenn Sie mich noch letztes Jahr gefragt hätten, was ich von Gerry Adams halte, die Antwort wäre sehr kurz gewesen. Jetzt hat er in meiner Wertschätzung gewaltig gewonnen. Daß er es geschafft hat, die IRA mit allen ihren verstrittenen Untergruppen zu überzeugen, daß sie die Waffen niederlegen, und das ist ja nichts Kurzfristiges, das ist schon eine gewaltige Leistung. Na, für den Friedensnobelpreis ist es vielleicht noch zu früh.

Das Gespräch führte

Susanne Raubold