Im Geiste von Uhu und Hirschkuh

■ Die Rückkehr der Jedi-Ritter oder Die politisch korrekte Fassung der Nibelungensage im carrousel-Theater

Ob Gilgamesch, Tarzan oder Luke Skywalker, ein Held hat tausend Gesichter, aber nur einen Auftrag: die Welt vor dem Chaos und dem Bösem zu schützen. Normalerweise tut er das ohne Glaskinn, aber mit einer stahlharten Rechten, einer Kalaschnikow oder mit einem Lichtschwert. Seit einigen tausend Jahren schon sind Helden einfach nicht unterzukriegen. Jedes Kind hat mindestens einen, und die Eltern trauern den fehlenden Vorbildern hinterher. Helden müssen sein. Aber wie sollten sie heute sein? Rudolf Herfurtner, der erfahrene Kinder- und Jugendtheaterautor aus München, hat sich daran gemacht, Teile der Nibelungensage politisch korrekt umzudeuten.

Der „Nibeljunge“, ehemals Siegfried, wird von seinen Eltern ausgesetzt und im finsteren Wald von einer Hirschkuh und einem Uhu gefunden. Das neue Elternpärchen nimmmt den drohenden Hospitalismus des deutschen Moses in Kauf, legt ihn, quasi als erste pädagogische Maßnahme, in Ketten, erzieht ihn aber streng gewaltfrei. Jedoch, wir kennen es längst, Siegfrid rebelliert gegen seine Eltern, sprengt die Ketten und zieht in die Welt hinaus. Er trifft auf Wieland und einige hartgesottene Waffenschmiede, die die beiden Jungs unbedingt zu Kämpfern drillen wollen. Wieland eignet sich so gar nicht zum Helden, dafür scheint der starke Naturbursche Siegfrid um so talentierter.

Zu Beginn der Vorstellung verhängt ein Großgemälde die Bühne: Vor der Weltkugel rahmen ein Mann, der ein bißchen Frau ist, und eine Frau, die ein bißchen Mann ist, ein Kind ein. Aber das versöhnlich gemeinte Bild hat einen Riß, und durch diesen Spalt springen die „Kriegskinder“, kleine gedrillte Soldaten und einer, der – vielleicht – nicht mitmachen will. Immer wieder tauchen sie auf und kommentieren das Geschehen, dazwischen philosophieren Uhu und Hirschkuh.

Vor der Pause will die eigentliche Geschichte einfach nicht in Gang kommen. Es vergeht viel Zeit, um deutlich zu machen, wohin der Weg von Siegfrid und Wieland gehen soll. Statt „we don't need another hero“ hoffen Hirschkuh und Uhu auf den, der dem Prinzip von Macht und Zerstörung ein Ende setzt. Stark ist, wer weich sein kann. Ein Held ist, wer sich selbst erkennt und mit dem Macho-Heldentum Schluß macht.

Die Inszenierung des Intendanten Manuel Schöbel spart an nichts. Doch wenn das carrousel- Theater seine technischen Muskeln mit aufwendiger, wilder, aber steriler Kulisse, Drehbühne, vollem Sound, Feuer und Rauch spielen läßt, ist das nur Pose. Überzeugend wird es erst, wenn Siegfrid der Drachin oder Wieland begegnet. Hier springen Emotionen über, wenn – ganz ohne Worte – der Beginn einer Freundschaft erzählt wird. Die beiden messen sich aneinander, luchsen sich pfiffig gegenseitig ein Werkzeug ab und „verlieren sich“ dann gemeinsam im Spiel.

Trotzdem hat der überwiegend gekonnte massive Einsatz von Feuer und Schwert großen Anteil an der zweistündigen Aufmerksamkeit und den lautstarken „Zugabe“-Rufen eines begeisterten Kinderpublikums, das im Schlußapplaus „seine“ Helden beklatschte und die „Bösen“ heftig ausbuhte. Regina Weidele

„Der Nibeljunge“ von Rudolf Herfurtner. Regie: Manuel Schöbel, Ausstattung: Frank Prielipp, wieder am 9. 10., 15 Uhr; 10. 10., 10 Uhr, 17./18. 11., 10 Uhr, carrousel- Theater an der Parkaue, Lichtenberg