Natural Funwear für Kids

Ein Frauenprojekt in Zehdenick bedient eine Marktnische / Ausgefallene Öko- textilien für Kinder soll Schlabberhosenimage aufpolieren  ■ Von Karola Braun-Wanke

Wie pfiffige Mode und Ökologie auf einen Nenner gebracht werden können, zeigt ein kleines Textilunternehmen mit dem Namen „YoYo Kid“ im brandenburgischen Zehdenick. Mit ihrer ausgefallenen „Natural Funwear“-Kollektion für Kinder will YoYo Kid das langweilig-hausbackene Schlabberhosenimage gewöhnlicher ökologischer Kleidung polieren. Hinter den locker hingetuschten Ypsilons, die an japanische Schriftzeichen erinnern, und den spiraligen „O“ auf dem Label von YoYo Kid verbirgt sich nicht nur der Esprit einer neuen Marketingidee, sondern ein ebenso ungewöhnliches Frauenprojekt.

Von der Berliner Beratungsfirma „Athene“ stammt die Projektidee, Ökotextilien für Kinder zu entwickeln und fertigen zu lassen – auf der Basis einer auf ein Jahr befristeten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Die „Athene“- Marktanalyse konnte belegen, daß eine besonders große Nachfrage im Bereich ökologisch gefertigter Kinderkleidung besteht. Rund dreißig Prozent der Kinder leiden bereits an Allergien, Allergie- und krebsauslösende Rückstände von Schwermetallen, Pestiziden und Formaldehyd finden sich selbst in Textilien, deren Etiketten „reine Baumwolle“ oder „reine Wolle“ versprechen.

Vorrangiges Ziel der AB-Maßnahme war es, arbeitslosen Frauen aus unterschiedlichen Bekleidungsbetrieben der Region die Möglichkeit zu bieten, sich durch Qualifizierungsprogramme selbständig zu machen bzw. die Chancen für einen beruflichen Wiedereinstieg zu verbessern. Unterstützt wurde das Projekt mit Fördergeldern des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Frauen sowie der Bundesanstalt für Arbeit, aber auch durch Zuschüsse aus dem Europäischen Sozialfonds. Vierzig erwerbslose Frauen, die zum Teil in der Zehdenicker Jeansfabrik der damaligen DDR beschäftigt waren, konnten so auf dem Gelände einer ehemaligen Schuhfabrik eine „YoYo-Kid-Musterkollektion“ entwickeln, die die Berliner Designerin Iris Czinskowski in Zusammenarbeit mit den Projektfrauen entworfen hatte. Die Linie: kindgerechte, funktionelle Schnitte mit einer eigenen ästhetischen Note.

Zur Projektgründung gehörte auch die Einführung in Vertriebsstrukturen und marktwirtschaftliches Management. Auch ganz alte Fertigkeiten mußten sich die Frauen wieder aneignen: das „polyvalente Nähen“ nämlich, also die Herstellung und Qualitätsverarbeitung ganzer Kleidungsstücke.

Aus dem Frauenprojekt entstand im April 1994 die „YoYo Kid GmbH & Co. KG“. Nur vier der vierzig Frauen wollten schließlich den Sprung in die Selbständigkeit wagen. Mit weiteren sieben angestellten Schneiderinnen aus dem Projekt betreiben sie nun das kleine Unternehmen. „Es war nicht einfach, die Firma zu gründen“, erinnert sich Peggy Krako, eine der Gründerinnen von YoYo Kid. Trotz ihres unermüdlichen Engagements und einer extrem hohen Arbeitsbelastung „hätten wir das alles ohne das Know-how und die guten Kontakte von ,Athene‘ nicht geschafft“. Über 70 Banken mußten die YoYo-Kid- Frauen abklappern, um zu ihrem Startkapital zu kommen. Auch persönliche Ängste mußten die Jungunternehmerinnen überwinden. Die ungewohnte Tatsache, „mit persönlichem Hab und Gut für die Firma zu haften“, sowie die enormen familiären Belastungen, die sich aus der Firmengründung ergaben, waren problematisch, zumal der Erfolg von YoYo Kid anfangs nicht abzusehen war.

Wie sieht nun das Erfolgsrezept von YoYo Kid aus? Ein besonderes Anliegen der Firma ist es, ihre Stoffe von umweltbewußten Herstellern zu beziehen. Alle YoYo-Kid-Modelle sind aus handgepflückter, ungebleichter Baumwolle aus kontrolliertem Anbau sowie naturbelassener Schafwolle, Seide und Leinen gefertigt. Jedem Modell ist eine Produktdeklaration beigefügt, die Angaben über die Beschaffenheit der Textilien enthält. YoYo Kid verwendet ausschließlich nickelfreie Reißverschlüsse mit Baumwolleinfassungen sowie Garne und Tressen aus 100 Prozent Baumwolle.

Zur Färbung der Stoffe werden Pflanzenfarben und Reaktivfarben aus geschlossenen Wasserkreisläufen benutzt. Dabei ist das YoYo- Kid-Farbspektrum im Vergleich zur Ökokonkurrenz überaus vielfältig. Es reicht über die Gewürztöne grün und braun bis rot, blau und sogar sonnengelb.

Die hochwertige Verarbeitung der robusten Naturfasern und die speziellen funktionellen Schnitte lassen es außerdem zu, daß die Modelle mit dem Kind „mitwachsen“. Hier erfüllt YoYo Kid ein wichtiges ökologisches Kriterium: das der Langlebigkeit. Verlängerte Ärmel an Pullovern und Jacken, extrem lange Hosenbeine, die gestaucht getragen werden können, und weitgeschnittene Hosen mit dehnbarem Bund sind nur einige Beispiele dafür. Ein weiterer Vorzug von YoYo Kid ist, daß die dicken Winterjacken durch Herausknöpfen des Innenfutters in leichte Übergangsjacken verwandelt werden können. Wendewesten, die die Kombinierbarkeit erhöhen, Knopfriegel an den Seiten, die eine individuelle Regulierung des Schnittes ermöglichen, verstellbare Träger, Kordeleinzüge, verlängerte Pulloverrückenteile, die den Rücken selbst der wildesten Kinder warmhalten, sind nur einige kinder- wie elternfreundliche Charakteristika der YoYo-Kid- Kollektion. Die praktische Orientierung der Textilien ist hauptsächlich auf die eigenen Erfahrungen als Mütter zurückzuführen, die sich früher häufig über die gedankenlos-unpraktische Kinderkleidung geärgert haben.

Die liebevolle Detailgestaltung der ansonsten accessoirlosen YoYo-Kid-Modelle bekommen außerdem einen witzigen Touch durch originelle Knöpfe aus Pflaumenkernen.

Ein Pluspunkt von YoYo Kid, der das Projekt von anderen Naturtextillabels unterscheidet, ist die ausschließlich brandenburgische Produktion. So entfallen lange Transportwege. Da jedoch von Anfang an auf eine tarifliche Bezahlung der Schneiderinnen Wert gelegt wurde, liegt die YoYo-Kollektion dennoch rund 20 Prozent über den Preisen konventioneller Kleidung und ist damit der Brandenburger Bevölkerung oft zu teuer.

Der Erfolg und Zuspruch auf den Messen der „Bio Fach“ in Wiesbaden und Köln sowie die Belieferung von Naturwarenversendern und zahlreichen Boutiquen in Berlin und anderen großen Städten belohnen heute die damals risikoreiche Entscheidung – auch wenn noch keine schwarzen Zahlen geschrieben werden. Frei nach der Devise „Der Aufschwung Ost beginnt im Kopf“ sieht Peggy Krako angesichts der starken Nachfrage der Zukunft von YoYo Kid mit ungebremstem Tatendrang entgegen.

Zuerst wollen sie den deutschen Markt erobern, dann stehen andere europäische Länder an, aus denen sie bereits viele Nachfragen erhalten. Auch lockt bereits „der Sprung über den großen Teich“. Trotz des unerwartet hohen Absatzerfolges peilt YoYo Kid jedoch keine Massenfertigung an.