EU-Kommission schaut ins Eko-Füllhorn

■ Besonders Großbritannien protestiert gegen neue Subventionen für das ostdeutsche Stahlwerk / Treuhand vereinbart Kapazitätsstillegung beim ehemaligen Interessenten Riva in Hennigsdorf

Brüssel/Berlin (taz) – Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt wurde gestern bei der Europäischen Kommission in Brüssel vorstellig. Ganz offiziell lieferte er das neue Subventionskonzept für den Erhalt des ostdeutschen Stahlwerkes Eko ab. Nachdem der italienische Riva-Konzern im Frühjahr als Investor überraschend abgesprungen war, soll nun der belgische Staatsbetrieb Cockerill-Sambre 60 Prozent von Eko Stahl kaufen. Im Gegenzug verlangt Cockerill von Bonn und Potsdam staatliche Zuschüsse in Höhe von 1,014 Milliarden Mark, das sind 200 Millionen Mark mehr, als in dem von der EU bereits genehmigten Riva- Konzept eingeplant waren. Hinzu kommen noch regionale Beihilfen in Höhe von 385 Millionen Mark — ebenfalls 85 Millionen Mark mehr, als für den ehemaligen Interessenten vorgesehen waren.

Nicht nur die Kommission, die bis Ende Oktober prüft, ob die staatlichen Zuschüsse mit den Wettbewerbsregeln der Europäischen Union vereinbar sind, hat bereits Bedenken angemeldet. Am 8. November müssen auch noch die 12 Wirtschaftsminister der EU das Konzept einstimmig absegnen. Stärkster Gegenwind kommt vom britischen Wirtschaftsminister, der in jedem Fall ein Veto ankündigte, wenn das neue Sanierungskonzept für Eko Stahl erheblich von dem Riva-Konzept abweichen würde. Kein Wunder: Sein Vorgänger ist innenpolitisch über seine Zustimmung für die Stahlsubventionen gestolpert.

Oberste Bedingung für die Genehmigung von Subventionen ist die Stillegung von Kapazitäten. Im Riva-Konzept war deshalb vorgesehen, 320.000 Tonnen Kapazität im Stahlwerk Hennigsdorf stillzulegen, das Riva kurz vorher gekauft hatte. Um diese Bedingung erfüllen zu können, will die Treuhand die Walzstraße in Hennigsdorf nun für 20 Millionen Mark von Riva zurückkaufen und dann schließen.

Bundeswirtschaftsminister Rexrodt konnte vor Journalisten nicht erklären, warum Riva die Hennigsdorfer Walzstraße für einen Spottpreis abgeben will. Er räumte aber ein, daß der Deal im Rahmen eines größeren Austauschpaketes zwischen der Treuhand und Riva stattfinde. Anders gesagt, der beträchtlich höhere Kaufpreis ist irgendwo an anderer Stelle im Paket versteckt. Auch Rexrodt geht davon aus, daß für die zusätzlichen Subventionen etwa 55.000 Tonnen Kapazität mehr stillgelegt werden müssen. Rexrodt ließ in Brüssel durchblicken, daß Cockerill diese Kapazitäten in den Werken in Belgien abbauen soll. Peter Schulz, Betriebsratsvorsitzender vom Hennigsdorfer Stahlwerk, sieht die Sache gelassen: „Riva hat sich uns gegenüber verpflichtet, daß der Kapazitätsabbau keine Nachteile für uns hier haben wird.“ Die 60 bis 100 Leute, die heute nördlich von Berlin Stahl walzen, sollen innerhalb des Werks umgeschult werden.

Ökonomisch allerdings mache das Konzept wenig Sinn, so Schulz. Denn während bei Eko Bleche gewalzt werden sollen, produzieren die Hennigsdorfer Profile und Stangen in kleinen Stückzahlen. Gerade in diesem Bereich aber wurden in den letzten Jahren relativ viele Kapazitäten stillgelegt, weil hiermit im Vergleich zum Flachstahl wenig Geld zu verdienen ist. Dank schwindender Konkurrenz läuft das Geschäft in Henningsdorf recht gut. Im lukrativeren Blechbereich aber gibt es weiterhin enorme Überkapazitäten. Dieser Unterschied aber spielt in Brüssel keine Rolle. Hauptsache insgesamt werden weniger warmgewalzte Produkte hergestellt, ist die Devise. bois/aje