IG Metall fordert sechs Prozent mehr Lohn

■ Lohnsteigerungen sollen den Inlandsabsatz stützen / Erneute Verhandlungen über die bereits beschlossene 35-Stunden-Woche lehnt die Gewerkschaft strikt ab

Berlin (taz) – Die IG Metall will in der kommenden Tarifrunde für die rund 3,8 Millionen Beschäftigten in der westdeutschen Metallindustrie Einkommenssteigerungen „bis zu sechs Prozent“ durchsetzen. Eine entsprechende Empfehlung beschloß gestern der Gewerkschaftsvorstand für die regionalen Tarifkommissionen.

Der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel erklärte, eine kräftige Einkommenserhöhung werde den Inlandsabsatz stützen. „Wer seit drei Jahren Nettoeinkommensverluste hat, schiebt den Kauf neuer Autos, Kühlschränke und Waschmaschinen immer weiter hinaus“, meinte Zwickel. Der Export sei zwar angesprungen, nicht aber der private Verbrauch. Der Beschäftigungsabbau gehe weiter. Nach Mitteilung des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall werden in der Metallindustrie weiterhin monatlich etwa 20.000 Stellen abgebaut.

In ihrer Forderung nach einer deutlichen Lohnsteigerung verweist die IG Metall auf einen geschätzten gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs von 3,5 Prozent für 1995. Außerdem erwartet die Gewerkschaft einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,5 Prozent. Beide Kennziffern ermöglichen nach Ansicht Zwickels Einkommensverbesserungen um bis zu sechs Prozent. Bei dem jüngsten Abschluß für dieses Jahr hatte die IG Metall nur zwei Prozent Lohnerhöhungen erreicht. Die nominalen Lohnsteigerungen blieben damit unter der Inflationsrate. Die IG Metall lehnt auch das Verschieben der zum 1. Oktober bereits tariflich vereinbarten 35- Stunden-Woche strikt ab. Die Kostenbelastung der 35-Stunden-Woche stellt nach Meinung Zwickels für die Unternehmen kein Problem dar, da die Arbeitszeitverkürzung erst im Oktober kommenden Jahres wirksam werde.

Wie berichtet, wollen die Metallarbeitgeber die 35-Stunden-Woche wieder auf den Verhandlungstisch bringen. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hat sich außerdem für die Verhandlung eines vom Arbeitsamt mitsubventionierten „Kombi-Lohns“ für Langzeitarbeitslose ausgesprochen. Damit sollen Unternehmer Arbeitslose zu 90 Prozent des geltenden Tariflohns einstellen können.

Der Entgelt-Tarifvertrag gilt noch bis Ende des Jahres. Die Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung, die flexible Arbeitszeiten auch ohne Lohnausgleich gestatten, haben dagegen eine Laufzeit bis zum Ende des Jahres 1995.

Erfahrungen mit niedrigeren Einstiegslöhnen für Langzeitarbeitslose hat übrigens schon die Chemieindustrie. Der bis zum Januar wirksame Entgelt-Tarifvertrag erlaubt die Einstellung von Arbeitslosen zu 90 Prozent des Tariflohns im ersten Jahr. Laut einer IG-Chemie-Umfrage, die 420.000 Beschäftigte erfaßte, wurden nach diesen Regelungen bisher aber nur 691 Langzeitarbeitslose eingestellt. Barbara Dribbusch

Siehe auch Kommentar Seite 10