Schlamperei oder Manipulation?

■ Krümmel: Bundesgesundheitsamt präsentierte verfälschte Leukämie-Studie

Die Ergebnisse waren verfälscht. Das inzwischen aufgelöste Bundesgesundheitsamt (BGA) in Berlin hat nach einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ offenbar bei der Untersuchung von Blutproben in Zusammenhang mit der erhöhten Blutkrebs-Rate in der Elbmarsch geschludert oder gar bewußt manipuliert. Diesen von mehreren Mitgliedern der ExpertInnenkommission zur Aufklärung der Leukämieursachen erhobenen Vorwurf bestätigte jetzt das Niedersächsiche Sozialministerium. Ministeriumssprecher Thomas Steg: „Es steht fest, daß beim Bundesgesundheitsamt geschlampt worden ist“.

Der Fehler passierte im Jahr 1993. Das Bundesgesundheitsamt untersuchte das Blut von 42 Kindern aus der Elbmarsch und einer Kontrollgruppe von 30 Kindern aus dem Vergleichsgebiet Plön auf dicentrische Chromosomen. Ihre Häufung im Blut gilt als Beleg für eine erhöhte Strahlenbelastung, der der Organismus ausgesetzt war. Überraschendes Ergebnis: Das Bundesgesundheitsamt entdeckte bei den Plöner Kindern mehr dicentrische Chromosomen als bei Kindern aus dem Elbmarschgebiet.

Die Bremer Physikerin Inge Schmitz-Feuerhake, die die gleichen Proben analysierte, konnte die BGA-Resultate nicht bestätigen. Ein Trick sorgte dann für Aufklärung: Um zu überprüfen, ob die Labors präzise arbeiten, legte der Münchener Strahlenbiologe Edmund Lengfelder beiden Instituten noch einmal identische Blutproben von Kindern aus Plön vor. Darunter auch ein extra bestrahltes Präparat.

Während Inge Schmitz-Feuerhake in der bestrahlten Probe elf dicentrische Chromosomen entdeckte, fand das Bundesgesundheitsamt nicht ein einziges. Eine Kontrolluntersuchung der Uni Münster bestätigte später die Analyse der Bremer Physikerin.

„Die gesamte Studie ist damit unbrauchbar“, sagte der Münchener Biochemiker Roland Scholz gegenüber der „Hannoverschen Allgemeinen“. Die „Bürgerinitiative Leukämie in der Elbmarsch“ wirft dem Bundesgesundheitsamt bewußte Manipulation vor. „Hier soll die Chromosomenuntersuchung disqualifiziert werden, weil erkennbar geworden ist, daß mit dieser Methode Strahlenschäden in der Nähe von Atomkraftwerken nachgewiesen werden können“, vermutet Helga Dieckmann, die für die Initiative in der Leukämie-Fachkommission sitzt.

Das niedersächsische Sozialministerium hingegen betont, es gebe „keine Hinweise dafür“, daß die Berliner Behörde „die Daten manipuliert“ habe. Hannover will jetzt prüfen prüfen lassen, ob die Ergebnisse der Chromosomen-Studie trotz der Schlampereien brauchbar sind. Marco Carini