FDP-Wahlhilfe oder doch nicht?

■ Für zweihunderttausend Mark macht das „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“ Anti-Werbung für die FDP / Identität des Kunden wird nicht preisgegeben

„Herr Rexroth? Frau Schwaetzer? Die Kinkel-Partei?“ Am Sonntag etwa ein Kreuzchen für die FDP machen? Besser nicht, denn „noch nie war Ihre Stimme so wertlos wie heute!“ Für 200.000 Mark werden seit vergangener Woche fast täglich in rund vierzig westdeutschen und Berliner Tageszeitungen Anti-FDP-Anzeigen geschaltet. Der Auftraggeber: (noch) unbekannt.

Ist das etwa ein gemeiner Rachefeldzug der ehemaligen Fraktions-und Landesvorsitzenden Carola von Braun, die nach der Friseuraffäre Anfang des Jahres von der Bildfläche verschwunden ist? Oder von frustrierten Genschman- AnhängerInnen, die Kinkel nicht leiden können?

Doch Kurt Jotter vom Kreuzberger „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“, der die Werbung kreiert und organisiert hat, hält dicht: „Wir sind nicht ermächtigt, die Identität unseres Auftraggebers preiszugeben“, so seine dürre Antwort. Ob Frau oder Mann, prominent oder politisch völlig irrelevant – keine Antwort. Nur: „Es handelt sich um eine engagierte Einzelperson, die dem liberalen Lager nahesteht, möglicherweise auch FDP-Mitglied sein könnte.“ Dieser Mensch stimme schon seit längerem nicht mehr mit der Politik der FDP überein und wünsche sich deshalb eine neue Regierungskonstellation.

Ob das aber eine Alleinregierung der CDU oder eine rot-grüne Koalition sei, weiß Jotter nicht. Das ist auch eher Nebensache: „Hauptsache, die Schmarotzer- Partei verschwindet“, hofft Organisator Jotter, dessen Büro in den vergangenen Jahren durch spektakuläre Aktionen gegen Mieterhöhungen oder die „Errichtung eines Anti-Kreuzberger Schutzwalls“ bekannt geworden ist.

Rund 100 Tageszeitungen haben die Anzeigen abgelehnt. Die Bergründung: Keine Negativ-Werbung und Angst, „der FDP auf die Füße zu treten“. Der Tagesspiegel beispielsweise wollte, so Jotter, die Anzeige drucken, „doch die Chefredaktion hat die Sache in letzter Minute gekippt“. Die Morgenpost und die Welt haben die Anti-Werbung dagegen akzeptiert. Ein Irrtum? Möglicherweise sind sie ebenso verwirrt von der Anzeige wie das Nachrichtenmagazin Focus: das berichtet in dieser Woche, der Auftraggeber „stehe den Liberalen nahe und wolle FDP-Anhänger mobilisieren“.

Oder ist etwa der ausgebuffte Aktivist Kurt Jotter aufs Kreuz gelegt worden? „Das möchte ich fast ausschließen“, betont er: „Das hätten wir schon mitgekriegt, wenn uns einer hier mit extrem geschickter pro-FDP-Werbung zu mißbrauchen versucht.“ Denn dafür hätte sich das „Büro“ nicht hergegeben. Ganz ausgeschlossen werden kann aber wohl nicht, daß jemand die Anti-Werbung falsch versteht. Zumindest ein Mann habe angerufen und erklärt, „jetzt wähle ich die FDP erst recht“, gesteht Jotter.

Wie die Werbung gemeint war, wird man nach der Wahl erfahren. Person X soll nicht ewig unerkannt bleiben: Nach der Bundestagswahl wird das Geheimnis gelüftet, verspricht Jotter. Für die FDP vielleicht ein bitterer Moment, besonders dann, wenn sie nur 4,99 Prozent erreicht haben. jul