Auf der Flucht quer durch Afrika

■ 14jähriger floh aus Ruanda bis Südafrika

Johannesburg (wps) – Samson Mugambiris Augen verraten, daß dieser Vierzehnjährige bereits mehr gesehen hat, als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben. Der Blick verrät zunächst einmal Müdigkeit. Das ist verständlich: Der junge Ruander verließ im Mai seine Heimat und begab sich auf eine Odyssee, die erst jetzt geendet hat, 5.000 Kilometer weiter an der Nordgrenze Südafrikas.

Den größten Teil des Weges legte er zu Fuß zurück. Seine Ankunft an der Grenze zu Südafrika, zusammen mit zehn älteren Mitwanderern, hat am Kap Furcht geweckt: Ziehen nun die Opfer afrikanischer Tragödien gen Süden, in das neue Südafrika, das trotz aller Ungleichheiten als reichstes und stabilstes Land des Kontinents gilt?

Aber auf Samsons Gesicht ist nicht nur Müdigkeit zu lesen. „Ich habe viele Leute sterben sehen“, beschreibt er seine letzten Tage in der Heimat. Seine Eltern waren aktive Mitglieder einer Gruppe, die für die ruandischen Massaker mitverantwortlich waren, erzählt der Junge. Heute sind beide tot. „Die Menschen starben in ihren brennenden Häusern“, sagt Samson. „Auf den Straßen war viel Blut.“

Samson verließ seinen Heimatort, wanderte durch Ruanda und schloß sich schließlich dem Flüchtlingstrek ins zairische Goma an. Dort starben seine beiden Brüder an Cholera. „Danach hatte ich keinen Grund dazubleiben, und so ging ich fort.“ Eine Gruppe von Ruandern machte sich auf den Weg nach Süden. „Sie sagten mir: Wenn wir es bis nach Südafrika schaffen, kann ich da zur Schule gehen, weil ich noch jung bin.“

Die Ruander zogen durch das südöstliche Zaire nach Sambia, dann nach Simbabwe. Wenn sie eine Kirche sahen, bettelten sie um Brot – das war ihre Hauptnahrungsquelle. Schwierig war die Überquerung der Flüsse, in denen Nilpferde und Korokodile leben. „Bis wir nach Südafrika kamen, wußten wir überhaupt nicht, wann wir in ein anderes Land gelangt waren“, erzählt Samson. „Wir waren einfach draußen im Busch.“ Aber große Teile der südafrikanischen Nordgrenze sind durch geladenen Stacheldraht gesichert, der Alarmsignale abgeben kann.

So ging am 22. September bei der südafrikanischen Grenzpolizei der Alarm los. Die Polizisten fanden die ausgelaugten Ruander und übergaben sie dem UN-Flüchtlingshochkommissariat. Jetzt gehören die elf zur wachsenden Zahl politischer Flüchtlinge und illegaler Einwanderer in Südafrika. Das Land beherbergt bereits 100.000 Flüchtlinge aus Mosambik und zählt 4.500 registrierte Asylsuchende.

Weitaus mehr aber, vielleicht zwei Millionen, sind aus zahlreichen Ländern illegal ins Land gekommen. In der Apartheid-Ära waren sie als spottbillige Arbeitskräfte auf Farmen oder in weißen Haushalten immer relativ willkommen. Die neue Regierung unter Nelson Mandela sieht das nicht so gern, weil sie auch die 45prozentige Arbeitslosigkeit unter Südafrikas Schwarzen bekämpfen will.

Heute lebt Samson im „Refuge in Christ“, einem Obdachlosenasyl, das einer Unterkunft für Wanderarbeiter am Rand von Johannesburg angeschlossen ist. Er wirkt verloren. „Ich will doch einfach auf eine Oberschule gehen“, sagt Samson. „Auf der Grundschule war ich schon.“