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■ Bohrarbeiten am tiefsten Loch Deutschlands beendet / Neue Chancen für geothermische Energie?

Berlin (taz) – Um exakt 11.57 Uhr endeten gestern die Bohrtätigkeiten am tiefsten Loch Deutschlands, das zugleich das „interessanteste Loch der Welt“ sein soll, wie die beteiligten Forscher stolz verkünden. Im oberpfälzischen Windischeschenbach hatten sich dort die Bohrmeißel bis in eine Tiefe von 9.101 Meter gefressen. Ziel war es jedoch nicht, einen neuen Tiefenrekord aufzustellen. Man wollte vielmehr so lange bohren, bis Schichten erreicht werden, die eine Temperatur von 250 bis 300 Grad aufweisen.

Ab diesen Temperaturen verformen sich die Gesteine und gehen in einen plastischen Zustand über. Die Forscher interessierten sich vor allem für die chemischen und physikalischen Bedingungen, die in der tieferen Erdkruste vorherrschen. Sie sollen Aufschluß über den Aufbau der Erde geben. Eine Analyse der Spannungszustände der Gesteinsschichten könnte dabei helfen, Erdbeben künftig besser zu prognostizieren. Darüber hinaus können die gewonnenen Erkenntnisse für eine „Abschätzung des Rohstoffpotentials“ herangezogen werden. Nach Meinung Gebhard Zillers, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, war das Forschungsprojekt ein „voller Erfolg“. Bereits die bisherigen Ergebnisse zeigten, daß ganze Lehrbücher neu geschrieben werden müßten.

Warmwasser aus der Tiefe

Beispielsweise habe die Bohrung ergeben, daß entgegen früheren Annahmen in einer Tiefe von 4.000 Metern noch große, 200 Millionen Jahre alte Wasserspeicher vorkommen, voll warmen Wassers. Das gibt Anlaß zu der Hoffnung, daß künftig geothermische Wärme als günstige Energiequelle besser genutzt werden könnte.

Als das Projekt vor 16 Jahren geplant wurde, waren für das Bohrloch 500 Millionen Mark eingeplant worden. Schwierigkeiten mit dem Untergrund machten es jedoch nötig, daß das Forschungsministerium nochmals 28 Millionen Mark zusätzlich bewilligen mußte.

Geld brachte das Projekt auch Windischeschenbach. Durch das Forschungsprojekt „Kontinentale Tiefbohrung“ (KTB) wurde der kleine Ort zu einer Touristenattraktion: Monatlich rund 10.000 Besucher ließen sich das Vorhaben vor Ort erklären. Insgesamt über 600.000 Interessierte pilgerten in die Informationszentrale, die vom Bund und vom Freistaat Bayern eingerichtet worden war.

Damit dem Ort der Besucherstrom erhalten bleibt, bemühen sich Touristenmanager und Lokalpolitiker derzeit darum, daß der 83 Meter hohe Bohrtum als Industriedenkmal stehen bleibt und daß in den vorhandenen Gebäuden ein Museum eingerichtet wird. Den Ruhm, das tiefste Loch der Welt zu haben, wird Windischeschenbach jedoch nicht beanspruchen können. Der Rekord liegt bei 12.260 Meter. Bis in diese Tiefe ist ein russisches Projekt auf der Halbinsel Kola vorgedrungen. Wolfgang Löhr