Demons are a girl's best friends

Zeichnungen, Comics und Plakate von Anke Feuchtenberger in der Galerie Am Scheunenviertel  ■ Von Gudrun Holz

Leidet Ihre Tochter an Größenwahn? — Schneiden Sie ihr die Krone ab! Leidet Ihre Tochter an Onanie? — Überlassen Sie sie ihrem Vater! Die gnadenlosen Ratschläge in Anke Feuchtenbergers Videomoritat (Ton: Monika Groth) gehen nieder wie Fallbeile. Nützlich als gemeiner Ratgeber in den Zweifelsfällen des Mädchenlebens, zynischer Leitfaden mitten durch den Morast um Mütter und Töchter.

Der einen werden die Daumen abgesägt, sah man sie grad noch lasterhaft mit Karotten hantieren. Die nächste wähnt sich als Souverän mit ägyptischem Kopfputz und sieht sich bös zugerichtet und geschoren. Bei Herzbluten genügt ein einfacher Staubsauger, bei flammendem Herzen tut's auch das Löschen in der Badewanne. Jede Episode wird lakonisch von einer Glucke im Gouvernantengewand beschieden, teils tödlich. Zwischen englischem Humor und aberwitziger Groteske, anyway, don't try any of this at home!

Salbungsvolle Stimmen von der Märchenplatte, die Lieblingsschnulze aller betrogenen Herzen, allerlei Gemecker und Gezeter sind als akustisches Gegenstück montiert. Gelobt sei also, was uns autonom macht! Herrscht doch in Feuchtenbergers Bilderbogen das Grauen im Dunstkreis von Struwwelpeter und mütterlicher Law & order. Schien die männliche Zuschauerschaft eher betroffen von den harten Lektionen, hatte das weibliche Publikum durchaus sein Vergnügen an der harschen Karikatur auf allzu frauliche Gemeinplätze. Leidet Ihre Tochter an Vereisung? — Ziehen Sie sich warm an! Leidet ihre Tochter unter großen Hunden? — Bieten Sie Ihr doch Katzen an!

Das eigens hierfür angefertigte Video ist das Herzstück der Ausstellung in der Galerie Am Scheunenviertel. Den anderen Teil bilden Zeichnungen und einige fast lebensgroße symbolische Portraits. Eine der unheiligen Größen trägt ein rosa Kleid mit Totenköpfchenmuster. Erstaunt wendet sie den Kopf und blickt auf einen goldenen Sträflingsklotz an ihrem Knöchel. Neben ihrem kühn frisierten Kopf steht als dreistes Motto: Demons are a girl's best friends. Die Typographie ist eigenwillig und die schwarz konturierte Figur streng stilisiert, mit einer Viertelprise Jugendstil. Das „L“ ist eine Schlaufe, das „E“ ein Doppeldecker, das „G“ eine Spirale.

Anke Feuchtenberger ist eine Zeichnerin von eigenen Gnaden. Nach fünf Jahren Grafik- und Bildhauereistudium hat sie für Theaterproduktionen gearbeitet, in Kostüm und Bühnenbild. Der unumgänglichen Kompromisse dieser Arbeitsprozesse überdrüssig, fand sie ein eigenes Inszenierungsmedium. Ihre Bilder gleichen in der Tat Kulissen, in ihrer schlichten Räumlichkeit — und bisweilen sind die darin angebrachten Texte Zitate, zum Beispiel aus Shakespeare-Dramen. Überraschenderweise nennt sie Mnouchkine als großen künstlerischen Eindruck, weniger inhaltlich als in der Konsequenz von Verknappung und archaischer Formgebung.

Kein Strich ist hier verrückbar. Basta.

Beim ersten Comic, mit 25, wurde sie Dramaturgin, Bühnenbildnerin, Regisseurin und Autorin und bisweilen Heldin zugleich. Die Bildergeschichten, die sie erfand, sind keine speedigen Strips aus Bewegungsphasen und Sprechblasen. Es sind detaillierte Zeichnungen, hart konturiert, apart gemustert, grafisch streng wie Radierungen, kein Strich ist hier verrückbar. Basta. Jede läßt tief ins verschlungene Dickicht ihrer theatralischen Motive schauen. Wie zum Beispiel das Histörchen „5 nach 12“, Untertitel: „This is not a love story“. Vom langersehnten Anruf aufgeschreckt macht SIE sich zurecht, fürs Rendezvous, natürlich mit IHM. Ein Desaster. Sie heult in der Klokabine, Er geht aus sich heraus, das heißt er kotzt und pißt. An Aufgeben nicht zu denken! Lippen messerscharf nachgezogen, Haare zur Krone getürmt. Wie diverse Haarkronen, -türme und -spiralen der Feuchtenbergerschen Frauen, ein Körperteil, stolz getragen und Sitz eigensinniger Windungen. Also ein Herz gefaßt! Aber es ist keins mehr da! Alles nur geträumt?

Ihre Figuren ob nackt, kostümiert oder expressiv schwanger, verbergen nix, bleiben trotzdem ganz und werfen machtvolle Schlagschatten. Bis zu deren Einstellung Ende 1991 war sie Cartoonistin der von Ost- und Westfrauen edierten Frauenzeitung Ypsilon. Seitdem ist sie in ihren Mitteln nur noch konsequenter geworden. Ständiges Standbein ist allerdings der Plakatentwurf geblieben, vom Theaterplakat über das Wahlplakat, bis zum Poster für den unabhängigen Frauenverband.

Inzwischen veröffentlicht sie in der Wochenpost oder der Süddeutschen, immer auf der Hut vor Einengung und redaktionellen Eingriffen, steitbar für die Eigenständigkeit ihres Mediums. Rubriziert doch der Zeitungscomic zumeist noch unter dem Label „Funnies“ oder bestenfalls „Unterhaltung“, im Gegensatz zur großen Schwester, der Politkarikatur.

Anke Feuchtenberger: Zeichnungen, Comics und Plakate, bis 22.10., täglich 17-22 Uhr, Galerie Am Scheunenviertel, Mitte.