Sehr lebendig ist die Partei nicht

■ Britische Torys beenden Parteitag mit Durchhalteparolen

Bournemouth (taz) – So ändern sich die Zeiten: Vor drei Jahren machte die schwarze Bürgermeisterin Medlin Lewis Schlagzeilen, als sie von der Labour Party zu den Konservativen übertrat. Vorgestern ging die schwarze Bürgerrechtlerin Joyce Sampson den umgekehrten Weg. Nach 14 Jahren Mitgliedschaft sei ihr klargeworden, verkündete sie, daß die Torys eine sterbende Partei seien.

John Prescott, der stellvertretende Labour-Chef, wies genüßlich auf die hohe Symbolkraft des Wechselspiels hin. Den Torys laufen die Mitglieder davon. Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen, doch Experten gehen von rund 400.000 Parteimitgliedern aus – in den fünfziger Jahren waren es sechsmal so viele.

Auch sonst hatten die Konservativen auf ihrem Parteitag, der gestern im südenglischen Seebad Bournemouth zu Ende ging, wenig Grund zur Freude. Man wollte eine klare Trennlinie zwischen sich und die neue, gemäßigte Labour Party ziehen, doch deutlicher ist in Bournemouth die Kluft zwischen dem rechten und „linken“ Tory- Flügel geworden. Zum Held der Rechten avancierte Arbeitsminister Michael Portillo. Er ist jung, attraktiv, redegewandt und „glatt“ – ganz wie Labour-Chef Tony Blair. Und er ist europafeindlich. Seine Anhänger sehen in ihm einen künftigen Premierminister, der die Partei zum Thatcherismus zurückführen wird. Der proeuropäische Flügel setzte ihm Industrieminister Michael Heseltine entgegen, der nach seinem Herzinfarkt jedoch viel von seiner Schärfe und seinem Witz eingebüßt hat.

Innenminister Michael Howard, auf dem Parteitag im vergangenen Jahr noch der strahlende Favorit des rechten Flügels, ist dagegen auf dem absteigenden Ast. Hatte er damals noch getönt, sein drastisches „Law-and-order-Paket“ innerhalb von Wochen durch das Parlament zu schleusen, so trat er vorgestern mit leeren Händen vor die Delegierten: Kein einziger der 27 Punkte ist bisher verabschiedet. Einziger Lichtblick für die Konservativen war der Waffenstillstand der nordirischen Loyalisten, den Major in seiner Abschlußrede gestern als persönlichen Triumph verbuchte. Ralf Sotscheck