■ Mit alten Zeitungen auf du und du
: Papiertiger Töpfer

Berlin (taz) – Umweltminister Klaus Töpfer ist lernfähig. Seinen neusten vermeintlichen Anti-Müll-Erfolg hängt er nicht mehr an die große Glocke. Mit Grund: Denn von seiner 1992 mit viel Tamtam angekündigten Strategie zur Verminderung der Altpapierberge ist fast nichts übriggeblieben. Gestern gab die Arbeitsgemeinschaft Graphische Papiere (Agrapa) eine freiwillige Verpflichtung ab, daß zur Jahrtausendwende 60 Prozent der Zeitungen, Magazine und Schreibblocks ein Comeback feiern sollen. Zur Zeit kommen nur 53 Prozent der grafischen Papiere als Kartons, Klopapier oder Gazetten wieder auf den Markt – fast 30 Prozent davon im Ausland. Etwa 3,5 Millionen Tonnen landen hingegen auf Deponien und in Verbrennungsöfen.

Daran wird sich auch künftig nicht viel ändern. Denn ähnlich wie die Verpackungshersteller haben es Verleger und Papierhersteller geschafft, Töpfer das Heft aus der Hand zu nehmen. „Soweit technisch möglich und ökonomisch zumutbar“, verpflichteten sie sich zur Sammlung von mehr Altpapier. Was anschließend daraus hergestellt wird oder ob das Ganze im Ausland landet, ist allein Sache der Industrie.

Der Umwelt wird das alles wenig nützen. Denn der hierzulande verbrauchte Papierberg ist immer höher geworden. Konsumierte der Durchschnittsdeutsche 1950 insgesamt 30 Kilo Papier, so sind es heute fast 200 Kilo – Tendenz steigend. Zwar hat parallel der Altpapieranteil in den Endprodukten zugenommen; absolut gesehen aber werden immer mehr neue Papierfasern verwendet. Und somit wächst der Müllberg.

Nur wenn die Hersteller unmittelbar für den aus ihren Produkten entstehenden Abfall zur Kasse gebeten würden, hätten sie ein Interesse an einer Mengendrosselung. Töpfer aber lobte gestern weiterhin seine Devise „Eigenverantwortung statt staatlicher Eingriffe“. Er ist also doch nicht lernfähig. Annette Jensen