Phantasie gegen Rassismus

■ Jean-Jerme Muyemba aus Zaire reist durch Brandenburger Schulen und stellt vor allem Fragen / Zusammen mit einem Verein betreut er viele Ausländerprojekte

Jean-Jerôme Chico-Kaleu Muyemba aus Zaire hat zu einer ungewöhnlichen Methode gegriffen, um gegen Ausländerfeindlichkeit – „eine Folge von mangelndem Kontakt“, wie er es bezeichnet – vorzugehen. Der Bundestagskandidat für Potsdam besucht seit zweieinhalb Jahren Kindergärten, Grundschulen und Schulen in Brandenburg und wirbt für Toleranz der hier lebenden Minderheiten. Er hält keine Vorträge, sondern stellt sich vor die Klassen und fordert zum Fragen auf. Kleine Kinder wollen meist wissen, so Chico-Kaleu Muyemba, welche Tiere es in Afrika gibt. Mit den „Großen“ gebe es schon eher mal Probleme, da kämen Sprüche wie: „Die Ausländer nehmen uns Arbeit und Wohnungen weg“.

Chico-Kaleu Muyemba hat seine ungewöhnliche Idee der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen (RAA) zur Verfügung gestellt. Er und weitere 34 hauptamtliche Mitarbeiter, darunter zwölf ausländische, betreuen eine ganze Bandbreite von Projekten. Von Projektwochen in Schulen und Kindergärten „gegen Fremdenhaß und Gewalt“ bis hin zu „Selbsthilfegruppen von Frauen aus der ehemaligen UdSSR, die mit Deutschen verheiratet sind“ findet sich alles, was im Rahmen „Zusammenleben von Ausländern und Deutschen“ vorstellbar ist.

Seit anderthalb Jahren existiert inzwischen der gemeinnützige Verein, und er soll – bis jetzt – auch nur weitere anderthalb Jahre weiterbestehen. Die RAA hat sich zum Ziel gesetzt, das Zusammenleben von Deutschen und Ausländern zu verbessern, das Interesse an anderen Kulturen zu verstärken und Weltoffenheit zu fördern.

Quasi präventiv, so sagen MitarbeiterInnen, wollen die einzelnen Projekte im schulischen und außerschulischen Bereich den rechtsextremistischen Orientierungen im Land Brandenburg begegnen. Dafür wurde zum einen das strukturelle Netz ausgebaut – neben Potsdam existieren bereits sechs andere Niederlassungen im Lande und drei weitere werden gerade errichtet – und wurden zum anderen zahlreiche Projekte initiiert.

Evelyn Rink und Rimma Maximova haben Frauen aus der ehemaligen UdSSR, die mit Deutschen verheiratet sind, ermuntert, sich in Selbsthilfegruppen zusammenzufinden. Die Frauen, die zumeist im letzten Jahr mit ihren Männern von der Erdgastrasse zurückgekommen sind, hatten große Schwierigkeiten, sich in Deutschland einzugewöhnen. Ziel von Rink und Maximova ist es, zuerst die Frauen zum Deutschlernen zu animieren und ihnen später den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen.

Ein relativ neues Projekt ist „Spotkanie heißt Begegnung – ich lerne deine Sprache“. 500 Kinder in dreißig Grundschulgruppen lernen Polnisch, um die östlichen Nachbarn besser kennenzulernen. Auf der polnischen Seite soll nun das gleiche Projekt aufgebaut werden: 500 polnische Kinder sollen dort Deutsch lernen, und in der Folge sollen auch Schüleraustausch und gegenseitige Klassenbesuche angeregt werden.

Finanzielle Probleme, so die „Finanzchefin“ der RAA Potsdam, Petra Langguth, gebe es keine, sowohl das Sozialministerium als auch das Jugendministerium haben sie unterstützt. Selbst Sponsoren und private Geldgeber fänden sich immer genügend. 1993 wurden für alle Projekte und Personal- und Sachkosten zusammen 1,5 Millionen Mark aufgewendet.

Die Kinderpsychotherapeutin Ute Benz erprobt mit Schulkindern die „Visuelle und optische Bildung“, die ihr im normalen Stundenplan der Schulen fehlt. „Sehen“, so Benz, müßten Kinder in der Schule „lernen wie rechnen und schreiben“. Die Kindertherapeutin stellt sich auf den Standpunkt: Wenn Kinder schon an Gewaltvideos interessiert sind, sollten sie beim Sehen begleitet werden. Also zeigt sie im Bedarfsfall Videos, spricht mit den Kindern darüber und fordert sie auch auf, Szenen zu improvisieren. Sie animiert die Kinder, beim und nach dem Spielen ihre Gefühle auszudrücken und darüber zu erzählen.

„Wir arbeiten darauf hin, uns überflüssig zu machen“, formuliert Hilde Schramm, Leiterin der RAA Potsdam, das Selbstverständnis der nichtstaatlichen Organisation. Einerseits sollten die RAAs nur „Ideengeber“ für Initiativen sein. Und andererseits, so wünschen es sich die MitarbeiterInnen, sollte sich ideellerweise das Zusammenleben von Deutschen und Ausländern in Brandenburg so verbessern, daß „Ausländerhaß wieder zu einer Randgruppenerscheinung“ wird. Elke Eckert