Der Bundesrat – Scharpings Hebel zur Macht

■ Bei der Bundesgesetzgebung reden die SPD-Länder ein gewichtiges Wort mit

Egal, wie die Wahl ausgehen werde, unkte SPD-Geschäftsführer Günter Verheugen schon vor Wochen, an den Sozialdemokraten vorbei könne hierzulande niemand mehr regieren. Er hat Recht behalten. Auch wenn es zum Kanzlerwechsel nicht reichte, besitzt die SPD noch einen zweiten Hebel zur Macht: ihre satte Bundesratsmehrheit. Dort werden die SPD-regierten Länder, falls es in Mecklenburg-Vorpommern zu einer rot-grünen Minderheitsregierung kommt, künftig über 44 der insgesamt 68 Stimmen verfügen – genug, um fast jedes Gesetzesvorhaben der Regierung erst einmal zu stoppen. Auf die Union entfallen gerade noch 22 Stimmen – die zehn Sitze der CDU-geführten Koalitionsregierungen mit der SPD in Baden-Württemberg und Berlin sogar mitgerechnet.

Bei mehr als der Hälfte aller Bundesgesetze, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen, muß sich Kanzler Kohl wohl oder übel mit der SPD-Opposition arrangieren. Artikel 84 und 105 schreiben nämlich vor, daß der Bund für Gesetzesregelungen, die in die Hoheit der Länder eingreifen, vorab das Placet des Bundesrates einholen muß. Aber auch Bundesgesetze müssen vom Ländergremium abgesegnet werden, sofern sie Steuern und Finanzen betreffen. So dürfte der Vermittlungsausschuß, bei dem bereits in der letzten Legislaturperiode wichtige Gesetzesvorhaben wie die Pflegeversicherung, das Verbrechensbekämpfungsgesetz oder die Paragraph-218-Neuregelung landeten, wohl noch stärker als bisher zum Gremium großkoalitionärer Absprachen und Rangeleien aufgewertet werden. Dabei kann es für die Union noch schlimmer kommen: Auch in Thüringen kann sie nicht mehr gegen die SPD regieren. Fällt diese CDU-Domäne, kann die SPD sogar in der zweiten gesetzgeberischen Körperschaft auf eine Zweidrittelmehrheit (46 Stimmen) bauen. In diesem Fall müßte die Regierung schon eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag zustande bringen, um die Einsprüche des Bundesrates abzuschmettern und damit ihre Regelwerke überhaupt durchzubringen – doch die ist nirgends in Sicht.

Dennoch, eine Mehrheit zu bekommen war auch für die SPD nicht immer einfach: Mal legte sich der Länder-Koalitionspartner FDP quer, mal wollte sich das SPD-regierte Brandenburg aus Ost-Interesse nicht der Parteiraison beugen, mal schielten die Länder auf Mehrheiten in eigener Sache. Doch damit soll nun Schluß sein: Man werde notfalls knallharte Oppositionspolitik machen, hatten Spitzengenossen bereits erklärt – und zwar unter Einbeziehung der Bundesratsmehrheit. Erwin Single