Hilfe, die Ersatzstoffe kommen: Dario Fo in Erstaufführung in Bremen

Abhörskandale, Schmiergeldaffären, Mordanschläge gegen Richter und Politiker – das System ist aus den Fugen. Welches System wie wo genau? Egal. Eine „durchgedrehte Wahnsinnsburleske“, wie ein FAZ-Kritiker Fos Stück anpreist, hat ihr Thema in jedem Fall, und das Bremer Theater seinen politischen Auftakt.

Erschossen werden an diesem Abend: eine Telephonzelle, eine Palme, ein Buddha, ein Goldfisch. Außerdem ein Mafioso und viele Kronzeugen. Letzteres verkündet Klaus Bednarz auf dem Fernsehbildschirm, wo auch Bremens früherer Kultursenator zu sehen ist.

Damit ist das Ende der Gags auch schon erreicht. Eine Burleske im Zeitlupentempo, trotz Anstrengung einiger Schauspieler, von Wahnsinn keine Spur.

Dafür Spuren Italiens: einige Namen, wenige Gesten, die Makkaroni, die ans Publikum verteilt wurden. Hilfe, die Ersatzstoffe kommen: statt des Dramas die Fernsehmeldung, statt einer Komödie der Weg des rechtschaffenen Richters aus dem braunkarierten Anzug in den Glitzerfummel – und zurück. Und mit den Ersatzstoffen die frommen Wünsche: Selbst wenn das Volk kommt, sei der Faschismus immer aufhaltsam bei Dario Fo, so Peter Chotjewitz im Programmheft, und in nett gesungenen Liedchen wünschen Richter und weibliche Leibwache sich Ähnliches und imitieren kleine Volksbeschimpfungen.

Dario Fo weiß es besser: jede absurde Situation, die Theatermacher und Kabarettisten sich ausdenken, ist längst von der Realität eingeholt worden. Monty Python's Flying Circus wußte das schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert.

Kein Wahnsinn, nicht in Italien und nicht bei uns, doch in der Bremer Aufführung hat man der Satire ihren Kern ausgetrieben: die Vernunft. Auch der Genuß einer Zweiliterflasche Lambrusco zur Verklärung alter Zeiten des „Avanti popolo“ hätte nur eins beschleunigt: Hilfe, die Makkaroni kommen uns hoch. Lore Kleinert

Foto: Jörg Landsberg