In Thüringen bahnt sich eine Große Koalition an

■ SPD und PDS sind die Gewinner / Bündnisgrüne und FDP nicht mehr im Landtag

Erfurt (taz) – Wie in Mecklenburg-Vorpommern sind die Bündnisgrünen am Sonntag auch in Thüringen aus dem Landtag katapultiert worden. Mit nur 4,5 Prozent (1990: 6,5 Prozent) finden sie sich nun in der außerparlamentarischen Opposition wieder. Auch das Neue Forum scheiterte kläglich mit 1,1 Prozent bei dem Versuch, ausschließlich mit eigener Kraft den Sprung in den Landtag zu bewältigen. Der als „Stasi-Jäger“ bekannt gewordene Matthias Büchner (Ex-MdL) und sein Kollege Siegfried Geißler (Ex-MdL) verließen schon nach der ersten Hochrechnung für Thüringen frustriert und ohne Kommentar den Landtag. Die Genossen von der PDS feierten zur gleichen Zeit schon ihren Erfolg. Mit knapp 17 Prozent gegenüber 9,3 Prozent vor vier Jahren wurde die Ostpartei drittstärkste Fraktion. Zweitstärkste Fraktion mit 29,6 Prozent sind im neuen Thüringer Landtag die Sozialdemokraten. Sie legten gegenüber 1990 6,8 Prozent zu. Und da die Liberalen wie allüberall in deutschen Ländern auch in Thüringen aus dem Landesparlament herausflogen – sie erreichten ganze 3,2 Prozent (1990: 9,3 Prozent) –, spekulieren die Sozialdemokraten nun mit gutem Grund mit einer Großen Koalition.

Die schmeckte Ministerpräsident Bernhard Vogel am Wahlabend jedoch noch nicht so richtig. „40 Prozent plus X“ wollte der Landesfürst mit der CDU erreichen. Doch das „X“ fiel mit 2,6 Prozent zu mickrig aus, die Partei verlor mit insgesamt 42,6 Prozent gegenüber den Landtagswahlen vor vier Jahren 2,8 Prozent. Keine Partei erreichte somit die absolute Mehrheit. Und weil der Landesvorsitzende der SPD in Thüringen und Fraktionsführer seiner Partei, Gerd Schuchard, schon auf dem SPD-Listenparteitag in Gera einer Großen Koalition das Wort geredet und einer Koalition mit der PDS eine klare Absage erteilt hatte, dürfte es in Thüringen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Elefantenhochzeit kommen.

Mit kollektivem Achselzucken hatten noch am Wahlabend die Bündnisgrünen auf die bohrenden Fragen nach den Ursachen ihrer Niederlage reagiert. Listenführerin Christine Grabe aus Eisenach verstieg sich zu der Feststellung, daß die Menschen in Thüringen schon bald „merken“ würden, daß es ein Fehler gewesen sei, die Bündnisgrünen aus dem Landtag zu wählen. Grabe: „Wir kommen wieder – in fünf Jahren.“

Weitaus kritischer ging gestern Olaf Möller (Ex-MdL) mit seinen Parteifreundinnen ins Gericht. „Unprofessionell und ohne politische Durchschlagskraft“ hätten Christine Grabe und die Bundestagskandidatin Vera Wollenberger den Wahlkampf in Thüringen bestritten. Dem „Clan um Frau Grabe“ warf Möller gar „Heckenschützenmentalität“ vor. Alle seine Versuche, die aus der DDR- Ökologiebewegung hervorgegangene Partei zu politisieren und auch auf Themen wie die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik einzuschwören, seien von Grabe und ihrem Anhang „sabotiert“ worden. Provokativ forderte Möller Joschka Fischer auf, in Erfurt ein Abgeordnetenbüro einzurichten. Ein Büro für Vera Wollenberger sei dagegen „rausgeschmissenes Geld“.

Daß auch der Abgang von Büchner und Geißler vom Neuen Forum aus der gemeinsamen Fraktion ein weiterer „Sargnagel“ für die Bündnisgrünen war, wurde gestern nicht bestritten. Klaus-Peter Klingelschmitt