Hinter dem Schild von ANC Ltd.

Das Wirtschaftsimperium der südafrikanischen Regierungspartei wächst, aber noch vermissen Investoren Kapital und Kompetenz  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Der Name schien gut gewählt: „Thebe“ heißt in allen drei afrikanischen Sprachen Zulu, Xhosa und Tswana „der Schild“. Die Idee hinter der Gründung von Thebe Investment im Jahr 1992 war nicht weniger clever: Wer Geld in das Unternehmen „Thebe Investment Corporation“ stecken mochte, dem wurde im Falle eines Wahlsiegs des „African National Congress“ (ANC) eine Vorzugsbehandlung in Aussicht gestellt. Der ANC brauchte das Geld für den Wahlkampf, und um Interessenten anzulocken, gehörten neben Nelson Mandela auch Walter Sisulu und einige andere hohe Funktionäre des ANC zum Vorstand von Thebe Investment.

Mittlerweile sind sie wieder ausgestiegen, und interessierte ausländische Investoren fragen irritiert bei Johannesburger Börsenmaklern nach: „Where is the Juice?“ Sie vermissen bei der „ANC Ltd.“, so der Spitzname, Kapital, Erfahrung, Geschäftstüchtigkeit und gute Leute. Wie dünn solche Tugenden gestreut sind, muß gegenwärtig die Daimler-Tochter „Deutsche Aerospace“ (Dasa) lernen. Das deutsche Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen eröffnete vor einigen Wochen eine Filiale in Johannesburg. Aber trotz viermonatiger Suche fand das Unternehmen noch keinen geeigneten Lobbyisten, der bei der Mandela-Regierung gut Wetter machen könnte. „Die Kandidaten sind alle korrupt“, kommentiert ein Kenner der Szene die bisher vergeblichen Anstrengungen der Deutschen.

Auf dem Papier freilich macht Thebe eine beachtliche Figur. In Zusammenarbeit mit der staatlichen Fluggesellschaft „South African Airlines“ (SAA) gründete die Investment Corporation die Regionalfluglinie „SA Express“ und übernahm die Flugverbindungen zu kleineren Städten. Das Geld kam von der kanadischen Lardel Holding, die auch die zwölf Havilland-Turboprop-Maschinen im Wert von 200 Millionen Mark besorgte. Der britische Macmillan-Verlag stieg bei der Thebe- Tochter „Nolwazi Educational Publishers“ ein; Südafrikas Schulbuchmarkt wird für die kommenden Jahre auf etwa 350 Millionen Mark veranschlagt. Nigerias Regierung beauftragte Thebe mit dem Bau eines Konsulats in Johannesburg.

Marktchancen hat nicht nur Thebe erkannt. Dr. Nthato Mothlane, seit den fünfziger Jahren Hausarzt der Mandela-Familie, überläßt diese Aufgabe mittlerweile anderen Medizinern und lenkt jetzt NAIL, ein Konsortium, das ebenfalls versucht, in Verbindung mit ausländischen wie südafrikanischen Firmen Geschäfte zu machen. Der 68jährige brachte es zumindest zum Aufsichtsratsvorsitzenden von MTM, einer von zwei Gesellschaften, die in Südafrika ein Funktelefon-Netz betreiben. Die Versicherung „Metropolitan Life“ wurde schon vor den ersten demokratischen Wahlen in Südafrika im April 1994 mit Hilfe der damaligen weißen Regierung an eine von dem ehemaligen Doktor aus Soweto geführte Gruppe vermittelt.

Selbst der Monopol-Konzern Anglo American verkaufte „African Life Insurance“ an einen der eigenen Direktoren. Rund 80 Millionen Rand legte Don Ncube im Auftrag eines Konsortiums schwarzer Unternehmer dafür hin. Anglo American schlug dabei zwei Fliegen mit einer Klappe. Ncube ist nicht nur schwarz, der Konzern hofft mit dem Verkauf auch Forderungen nach einer Entflechtung zuvorzukommen. Fast 50 Prozent der Aktien, die an der Johannesburger Börse gehandelt werden, gehören dem Konzern. Ncube kaufte gleich auch noch den Sowetan, Südafrikas überwiegend in Schwarzen-Townships zirkulierende auflagenstärkste Tageszeitung. „Man kann von einem entstehenden ANC-Wirtschaftsimperium sprechen“, sagt ein Börsenmakler in Johannesburg. „Im Vergleich mit Konzernen wie Anglo American ist das aber noch gar nichts.“

Inzwischen bemühen sich auch Frauengruppen, in das erhoffte lukrative Geschäft einzusteigen. An der Spitze dieser noch relativ frischen Initiative steht ausgerechnet Wendy Luhabe, seit Anfang Oktober Ehefrau von Sam Shilowa, dem in weißen Unternehmerkreisen gefürchteten Vorsitzenden des 1,5 Millionen Mitglieder starken Gewerkschaftsbundes Cosatu. Ihr möglicher Partner: Spielcasino- König Sol Kerzner, gleichzeitig Eigentümer der Hotelkette Sun International. Er kam auf die Idee, ein Konsortium schwarzer Geschäftsleute mit guten Verbindungen zu ANC und Cosatu zu beteiligen, nachdem er beim ANC-Wirtschaftsminister der Provinz Pretoria-Witwatersrand-Vereeniging (PWV), Jabu Moleketi, abgeblitzt war. Kerzners nicht ganz uneigennütziger Vorschlag: Wenn ihm ein Monopolrecht auf den Betrieb von Spielcasinos in PWV eingerichtet würde, könne er im Gegenzug jährliche Steuereinnahmen von 500 Millionen Mark garantieren.

Doch es ist längst nicht ausgemacht, daß die Konsortien erfolgreich sind. US-Firmen wie Pepsi- Cola und Kentucky Fried Chicken, die zu den 212 nordamerikanischen Unternehmen gehörten, die sich während der achtziger Jahre aus Südafrika zurückzogen, prüfen zwar gegenwärtig eine Rückkehr auf den südafrikanischen Markt. Unternehmen wie Thebe und ähnliche Gruppen gehören dabei zu den ersten Adressen, die aufgesucht werden. Doch bei den meisten blieb es bisher bei einer Kontaktaufnahme, nicht nur, weil mit Investitionen generell gezögert wird, sondern auch weil die Führung der Unternehmergruppen potentielle Investoren nicht überzeugt.

So hat Thebe-Boss Vusi Khanyile (43), einst Schatzmeister der Anti-Apartheid- Organisation ANC, größte Mühe, sein Konsortium über Wasser zu halten. Zwar verkündet er vollmundig: „Wir sind hier, weil wir an Profitmaximierung interessiert sind.“ Aber erst einmal macht er Schulden. Im Februar 94 verzeichnete Thebe Investment Corporation eine Million Rand (etwa 500.000 Mark) Verlust, und ohne einen Trick wäre das Minus sechsmal höher ausgefallen. Geschönt wurde die Bilanz, indem man den Erwerb des Shell-Hauses – wie das Johannesburger ANC- Hauptquartier heute noch nach seinem früheren Besitzer genannt wird – als Kapitalerhöhung verbuchte.