Wie Rot-Grün mal mit Schwarz, mal mit Marx geht

■ Trotz Dauerbeschuß der CDU findet die rot-grüne Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt wechselnde Mehrheiten / Ganz verschämt spielt auch die CDU mit

Das rot-grüne Regieren in Magdeburg funktioniert bisher weit besser, als die christdemokratischen Schwarzmaler in Bonn und Magdeburg gehofft haben. Noch sind zwar keine besonders weitreichenden politischen Vorhaben in die parlamentarische Diskussion eingebracht worden – das Kabinett von SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner wollte vor der Bundestagswahl nicht zu sehr von der Unterstützung durch die PDS abhängig sein und ließ die ersten Monate der rot-grünen Koalition weitgehend unspektakulär verlaufen. Aber das war eher politische Taktik als mangelnde Durchsetzungsfähigkeit.

Die CDU-Fraktion entfachte unterdes von der Oppositionsbank aus ein verbales Sperrfeuer gegen die Minderheitsregierung. Keine Rede eines CDU-Abgeordneten, in der nicht „die rot-grüne Minderheitsregierung unter Duldung der PDS“ angeprangert wurde. Aber auch das war Wahlkampf und wird sich möglicherweise bald legen. Denn in pragmatischen Fragen wie etwa in der Abwasserpolitik haben die Christdemokraten rot-grünen Koalitionsvorlagen auch schon zugestimmt.

Dagegen hat die PDS zumindest im Innenausschuß des Landtages schon mal mit dem Zaunpfahl gewunken und gezeigt, daß ihre Zustimmung zu Regierungsvorlagen nicht immer zwangsläufig erfolgen muß. Ihre bis jetzt einzige Abstimmungsniederlage erlitt die rot- grüne Minderheitsregierung bislang bei den Beratungen über den von SPD-Finanzminister Wolfgang Schäfer vorgelegten Nachtragshaushalt der Landesregierung. Hier machte der Innenausschuß Ärger, als es darum ging, dem Einzelhaushalt des Innenministeriums zuzustimmen. Auch die CDU lehnte ab.

Im Finanzausschuß lenkten die PDS-Vertreter dann aber ein. Mit ihren Stimmen kam der Einzelhaushalt schließlich durch. „Das heißt aber noch längst nicht, daß das auch für den Haushalt 1995 gilt“, sagt der PDS-Abgeordnete Matthias Gärtner. „Die SPD versucht mit den Eckdaten ihrer Innenpolitik offenbar eher, mit Zustimmung der CDU zu regieren.“ Jetzt müsse die Minderheitsregierung neu nachdenken, mit wem sie hier künftig kooperieren wolle, denn mit der CDU funktioniere das ja offenbar nicht.

Die Christdemokraten dagegen lavierten im Bundestagswahlkampf wie ein schlingerndes Schiff. Den verbalen Kraftakten einer Fundamentalopposition gegen Rosa-Rot-Grün ließen sie in einigen entscheidenden Abstimmungen Enthaltungen oder sogar Zustimmung zu Regierungsvorlagen folgen. Und durch Enthaltungen ermöglichten die CDU-Abgeordneten in Einzelfällen sogar die Verabschiedung von Koalitionsvorlagen im Landtag gegen Gegenstimmen aus der PDS-Fraktion. Das Regieren wird Rot-Grün auch deshalb leicht gemacht, weil die PDS ganz bewußt auf einen Fraktionszwang verzichtet. So kann die Regierung sogar hoffen, Vorlagen durchzubekommen, die von den meisten PDSlern abgelehnt werden. Neun Stimmen reichen. „Aber diese neun Stimmen für die Mehrheit werden wir jetzt nach der Bundestagswahl auch von der CDU-Fraktion kriegen“, lautet die optimistische Prognose des SPD-Fraktionssprechers Jürgen Kriesch, „zwar nicht immer, aber immer öfter.“ Eberhard Löblich, Magdeburg