Arbeitgeber wollen Sozialstaat zur Ader lassen

■ Klaus Murmann gegen Sozialleistungen

Bonn (AP/taz) – Eine Schamfrist von gerade zwei Tagen ließen die Arbeitgeber nach der Wahl verstreichen, bevor sie zeigten, wer künftig den politischen Kurs in Deutschland bestimmen wird. Einen detaillierten Plan zum Abbau von Sozialleistungen holte Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann gestern aus der Schublade. Das bisherige System sei nicht länger finanzierbar, er fürchtet: „Die Soziallast wird uns erdrücken, wenn wir untätig bleiben.“

Während der privatversicherte Arbeitgeber weiterhin Einbettzimmer und Goldplombe abrechnen darf, sollen sich gesetzlich Krankenversicherte künftig an allen Behandlungskosten mit 10 Prozent beteiligen. Maximal 2 Prozent des Einkommens sollen diejenigen zahlen, die nicht mehr als 5.700 Mark verdienen (Beitragsbemessungsgrenze für Ostdeutschland: 4.425 Mark). Alle Höherverdienenden sollen bis zu 4 Prozent ihres Einkommens berappen. Bisher braucht in dieser Höhe nur für Arznei-, Verband- und Heilmittel zugezahlt werden. Medizinisch nicht notwendige Leistungen sollten ganz gestrichen werden, worunter auch Leistungen für Schwangere und Mütter fallen. Außerdem müsse überlegt werden, ob Familienangehörige weiterhin beitragsfrei mitversichert werden können. Wehe dem, der krank wird. Krankschreibung wird mit Lohneinbuße bestraft, 20 Prozent in den ersten beiden Wochen, hilfsweise könnten auch Karenztage eingeführt werden, meinte Murmann. Kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer sollten gar keine Lohnfortzahlung erhalten.

Nach Arbeitgebermeinung sollen sich künftig alle Bürger an der Finanzierung von arbeitsmarktpolitischen Leistungen beteiligen, für die derzeit die Bundesanstalt für Arbeit jährlich 100 Millionen Mark ausgibt. Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen etwa müßten deshalb aus allgemeinen Steuermitteln bezahlt werden. Das alles solle jedoch keine Steuererhebung nach sich ziehen, meinte Murmann. Keine Hemmungen zeigen die Arbeitgeber auch bei der Herabsetzung von Renten. Auf die Größe des Aderlasses mochte sich der Arbeitgeberpräsident nicht festlegen. Kommentar Seite 10