Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Johannes Dieterich

Kein Zweifel, er war auf frischer Tat ertappt. Als wir aus der Haustür kamen, saß der Kerl in Deejs geliehenem Toyota hinterm Steuer und fiddelte am Zündschloß rum. Es war hellichter Sonntagnachmittag, unser Johannesburger Alternativ-Viertel ruhte erschöpft vom Wochenende.

Eigentlich gab's überhaupt keinen Grund zur Aufregung. Ein Autodiebstahl kommt in Johannesburg durchschnittlich alle drei Minuten vor, Merles Karre war vor drei Wochen von derselben Stelle weggeklaut worden, auch meine Limousine war hier schon dreimal aufgebrochen worden. Die Gartenstühle aus dem Vorhof fehlen, selbst meine Boxer-Shorts überlebten eine Nacht auf unserer Wäscheleine nicht. Trotzdem waren wir verblüfft. „Nein“, sagte der Kerl: „dieses Auto gehört Terry!“ „Welchem Terry?“ „Dem aus dem Nachbarhaus.“ Da es im Umkreis von zwei Meilen keinen Terry gab, änderte der Kerl die Strategie: Er sei niemals in dem Auto gesessen, hieß es jetzt, er habe lediglich daneben gestanden.

Deej ist ein anständiger linker weißer Südafrikaner, der den Kriegsdienst verweigert und die Sache der unterdrückten schwarzen Bevölkerungsmehrheit aufopferungsvoll zu seiner eigenen gemacht hat. Er mußte sich schon einen gewaltigen Ruck geben, als er vorschlug, die Polizei zu rufen.

Dann bezog ich rechts, Deej links vom Kerl die Stellung. Nach südafrikanischem Recht hätten wir eigentlich einen citizen's arrest vornehmen, das heißt unserem Opfer die Arme auf den Rücken drehen und ihn an unser Eisentor fesseln können. Klar, daß weder der nette Deej noch der beständig lächelnde Europäer auch nur entfernt an etwas ähnlich Grobes dachten.

Obwohl Deejs gute Laune schon etwas angegriffen war. Vor einem Monat hatte man seine Wohnung aufgebrochen und seinen Augapfel, die Videokamera, geklaut.

Zwei Wochen später raubten ihn drei junge Burschen vor dem Geldautomaten aus. Für südafrikanische Verhältnisse hatte Deej noch einmal Glück gehabt: Er blieb am Leben.

„Okay“, aktualisierte der Kerl ein weiteres Mal die Strategie: „Es tut mir leid.“ Mit großen braunen Augen schlug er jetzt vor, wir sollten alle zusammen zu seiner Familie gehen und dort in Ruhe über die Geschichte reden. Trotz ihrer Einfalt verfehlte diese Masche ihre Wirkung nicht: Schon sahen wir zehn schwarze Kinder hungrig ihre Spindelarme uns entgegenstrecken. Und unsere Beschattung weichte auf. Plötzlich rannte der Kerl. Ich hinterher. Deej wußte, wie es enden würde, und blieb zurück. Natürlich war ich schneller als der plumpe Kerl und hatte ihn im Handumdrehen eingeholt. Doch dann? Was nun? Stoppen, prügeln, Arm nach hinten drehen? Weißer Baas haut schwarzen Hungerleider? Schwerfällig rannte der plumpe Kerl die Straße runter und bog in der Ferne um die Ecke. Ich sah ihm nach.

Deej ist inzwischen umgezogen. Er hat sich einen Hund zugelegt und einen Vertrag mit einer privaten Wachfirma abgeschlossen. Mit einem Freund ventilierte er kürzlich die Frage, ob sie sich eine Knarre kaufen sollten.

Gestern las ich in der Zeitung, ein weißer Farmer habe fünf schwarze Diebe erschossen. Sie hatten ihm zwölf braune Hühner stehlen wollen.